Der Schwur des Maori-Mädchens
konnte ihn nicht leiden, aber nicht etwa deshalb, weil er bei der Pompallier-Mission arbeitete, sondern weil er ein übles Schandmaul war.
»Biest du unter die Krieger gegangen?«, fragte Bruder Jean scharf, während er mit seinen langen Fingern auf den Kilt deutete. »Geörst du zu ihnen? Warst du etwa dabei, als sie den Mast gefällt aben ? Das at sisch bereits überall erumgesprochen. One Ekes Leute aben selbst damit geprahlt. Isch meine, isch würde dort oben na-türlisch lieber die französische Fahne flattern sehen, aber was wierd dein frommer Vater dazu sagen? Er ist doch ein Briete, wie er im Buche steht.«
Matthew holte tief Luft, bevor er wütend fauchte: »Aus dem Weg!«
»Du kleine Ratte ast mir gar nischts zu befehlen.«
Und ehe sich Matthew versah, waren sie von schaulustigem Gesindel umringt.
»Er gehört zu One Ekes Leuten«, verkündete Jean mit lauter Stimme.
»Blödsinn, das ist Walter Carringtons Sohn. Lass ihn durch, Bruder!«, mischte sich unüberhörbar Jack ein, der bullige Besitzer des Kolonialwarenladens aus Paihia.
Matthew fiel ein Stein vom Herzen, als Bruder Jean vor dem riesigen Kerl zurückwich.
»Komm, Junge!«, befahl Jack und zog Matthew mit sich. Erst als sie bei den Booten angekommen waren, baute sich der Hüne vor ihm auf.
»So, mein Lieber, jetzt mal raus mit der Wahrheit! Wo warst du? Was machst du hier, und vor allem in diesem lächerlichen Aufzug? Wenn du so zu den Mädchen gegangen bist, fresse ich einen Besen. Also, was treibt ein Kind wie dich in den Höllenschlund?«
Jetzt roch Matthew, dass der alte Jack wie ein ganzes Whiskyfass stank.
»Ich bin kein Kind mehr, ich bin siebzehn Jahre alt!«, widersprach er heftig.
Jack legte den Kopf schief und grinste. »Und wenn du zwanzig wärst, für mich bist du ein Greenhorn, vor allem in diesem lächerlichen Rock. Schämst du dich gar nicht, Matthew Carrington?«, lallte er.
»Nein, ich bin einer von ihnen, und außerdem heiße ich Matui«, erwiderte Matthew trotzig.
Jack war das Grinsen vergangen. »Werd nicht frech, Bürschchen ! Wenn du weiter solchen Unsinn redest, verfrachte ich dich in mein Boot und zerre dich an den Haaren zum Reverend. Das hat er nun davon, dass er euch schwarze Teufel in sein Haus genommen hat.« Plötzlich sprach er klar und deutlich. Und ehe sich Matthew versah, hatte Jack ihn bei den Ohren gepackt und drehte ihm den Kopf in Richtung des Maiki. Matthew schrie vor Schmerz auf.
»Siehst du es da oben? Sie haben zum zweiten Mal den Fahnenmast gefällt und die Fahne in Brand gesteckt. Das ist kein Spaß, das bedeutet Krieg, und du solltest dir wohl überlegen, auf welcher Seite du stehst. Willst du wirklich zu denen gehören? Es weiß doch hier jeder, dass dich die schwarzen Teufel im Fluss ertränken wollten. Und wem hast du dein Leben zu verdanken?« Jack ließ Matthews Ohren los und befahl: »Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!«
Matthew standen Tränen in den Augen, als er sich dem Kolonialwarenhändler zuwandte. Der hob die Hand, sodass Matthew sich vor lauter Angst duckte, aber dann spürte, wie Jack ihm mit seiner Hand lediglich das Haar zerzauste.
»Ich mag dich doch, mein Junge. Und deshalb wird das hier auch unser Geheimnis bleiben. Aber lass dir einen guten Rat geben. Zieh dich um, bevor du nach Paihia zurückruderst. Wenn dein Vater dich so sieht, dann gnade dir Gott.«
Jack klopfte Matthew zum Abschied kumpelhaft auf die Schulter und wankte wie ein Schiff bei Seegang auf den Steg zu. Dort kletterte er leichtfüßig in sein Boot, als wäre er ganz und gar nicht betrunken.
Mit klopfendem Herzen lauschte Matthew den Ruderschlägen. Er atmete tief durch und überlegte, was er tun sollte. Die ungeheure Kraft, die er zuvor gespürt hatte, war wie weggeblasen. Wo er sich eben noch unbesiegbar gefühlt hatte, nagten nun Zweifel an ihm. Hatte Jack nicht recht? Waren die Pakeha nicht die einzigen Menschen, die ihm wirklich Gutes getan hatten? War er nicht undankbar, wenn er sich gegen sie stellte? Konnte das hier wirklich den Beginn eines Krieges bedeuten? Plötzlich fror er. Nun spürte er die Kälte von den nackten Füßen den gesamten Körper heraufkriechen. Zitternd suchte er einen Baum auf, der am Ufer stand, und versteckte sich dahinter. Hastig zog er seine warmen Sachen an, doch das nutzte nichts. Er fror so sehr, dass ihm die Zähne unkontrolliert aufeinanderschlugen.
Der Rückweg wurde ihm zur Qual, fühlte er sich
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