Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
willst du also von mir?«, grollte Tomanâk. »Ich soll meine Hand ausstrecken und das Böse ausreißen, es vernichten, wo immer ich es finde?« Bahzell schaute ihn finster an und der Gott schüttelte den Kopf. »Selbst wenn ich es könnte, würde ich es nicht tun, aber ich vermag das nicht. Denn wenn ich meine Hand ausstrecke, werden die Götter der Dunkelheit dasselbe tun.«
»Ach wirklich?« Bahzells Stimme troff vor Zynismus. »Und ich Dummkopf dachte, sie hätten das längst getan!«
»Dann hast du dich geirrt«, erwiderte Tomanâk ernst. »Weder sie noch wir wagen es, uns direkt in den Lauf der Welt der Sterblichen einzumischen, weil wir sie sonst vollkommen vernichten würden.« Bahzell fletschte wieder die Zähne, und Tomanâk runzelte die Stirn. »Du glaubst, du weißt viel über das Böse, Bahzell Bahnakson, und das tust du auch, nach den Maßstäben der Sterblichen. Aber ich war es, der Phrobus in die Unterwelt verbannt hat, und das Böse, das ich gesehen habe, lässt alles, was Sterbliche an Bosheit vermögen, zu einem Schatten, einem schwachen Widerhall verblassen. Wenn ich dieses Böse in deiner Welt bekämpfte, Macht gegen Macht und Hand gegen Hand, würden wir dieses Universum zu Staub zermalmen.«
»Und welchen Nutzen habt ihr dann davon?«, wollte Bahzell wissen.
»Ohne uns würde die Götter der Finsternis nichts aufhalten. Wenn wir mit ihnen zusammenprallten, würden wir deine Welt zerstören, und ohne die Angst vor eben dieser Katastrophe würden die Dunklen Götter auch nicht zögern, sich einzumischen. Sie würden tun, was sie wollen, und zwar nicht nur mit einigen Sterblichen, sondern mit euch allen, und nichts könnte sie aufhalten.«
»Aye? Und was macht uns dann so verdammt wichtig für euch beide? Den alten Legenden zufolge dürftet ihr euch doch wohl allmählich lange genug um uns gestritten haben!«
»Ich könnte erwidern, dass wir ebenso wütend sind, wenn das Böse einen einzelnen Menschen gewinnt wie eine ganze Welt.« Tomanâks tiefe Stimme rollte wie ein Gewitter. »Es wäre die Wahrheit. Wenngleich nicht die ganze. Andererseits dürfte die ganze Wahrheit deinen Horizont ein wenig übersteigen.« Bahzell versteifte sich und Tomanâk lächelte wehmütig. »Mit allem Respekt, wie du so schön sagst, aber die Totalität ist selbst für Götter schwer zu begreifen. Sieh es etwa so, Bahzell: Dein Universum ist nur eines von mehr Universen, als du dir vorstellen kannst, und in all diesen Universen liegen das ›Gute‹ und ›Böse‹ ewiglich miteinander im Streit. Nun stelle dir jedes Universum als eine einzelne Stadt im Königreich der Existenz vor. Wenn eine Seite dort triumphiert, dann kann sie das Gewicht dieses Universums, der ›Stadt‹, in ihre Armeen eingliedern. Es wird etwas stärker, gleichzeitig wird der Gegner ein wenig schwächer. Am Ende, falls es denn ein Ende gibt, wird die Seite, die genug Städte oder Universen kontrolliert, die andere Seite bezwingen. Es ist natürlich nur ein Gleichnis, aber es erfüllt seinen Zweck.«
»Also sind wir nichts anderes als Schwertfutter, stimmt’s?« Bahzell verzog spöttisch die Lippen. »Das kann gerade ein Hradani sehr gut verstehen.«
»Ihr seid nicht einfach nur ›Schwertfutter‹.« Tomanâks Augen blitzten und in den grollenden Donner seiner Stimme mischte sich eine Spur gezähmter Ungeduld. »Allerdings würden die Dunklen Götter euch genau dazu machen, und dadurch haben
sie einen gewissen Vorteil. Es kümmerte sie nicht, was mit den Sterblichen geschieht, weder mit einem Einzelnen noch einer ganzen Welt. Die Götter des Lichtes dagegen kümmert es, und das schränkt unsere Handlungsmöglichkeiten beträchtlich ein.« Bahzell runzelte die Stirn, und Tomanâks Seufzer schien die ganze Welt zu erschüttern. »Deinem Vater liegt sein Volk am Herzen, Bahzell, Churnazh dagegen nicht. Wer von beiden kann nun mehr nach eigenem Gutdünken handeln, ohne dabei an die anderen denken zu müssen?«
Bahzell spitzte die Ohren, dann nickte er, beinah widerwillig, und Tomanâk zuckte die Achseln.
»Wir halten viel von deinem Vater. Er ist ein harter Mann und erliegt manchmal ein wenig zu sehr den Verlockungen der Zweckmäßigkeit. Aber ihm liegt das Volk, das er regiert, am Herzen, nicht nur einfach seine Macht. So wie er lediglich in Maßen regieren kann, können auch wir das Böse nicht mit einem einzigen, gewaltigen Schlag hinwegfegen. Und ich muss zugeben, dass die Dunklen Götter durch den Fall von Kontovar einen bedeutsamen
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