Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
allerdings wahr«, gab Bahzell zu. »Trotzdem glaube ich, nicht einmal ein Hexer hätte verhindern können, dass er zwei oder drei erschießt, bevor er stirbt. Wir haben aber keine einzige Leiche gefunden. Deshalb habe ich den Verdacht, Brandark, dass er möglicherweise sehr genau weiß, wem er eigentlich folgt.«
»Wie?« Brandark runzelte die Stirn. »Meinst du, wir haben einen Verbündeten gefunden?«
Bahzell lachte verächtlich. »Oh, er verfolgt sie, sicher, aber wir haben keine Ahnung, warum. Freilich wissen wir, dass jeder Sothôii mit Vergnügen zwei Hradani seine Pfeile in den Bauch schießen würde, wenn er sie vor den Bogen bekommt. Selbst wenn nicht, ist er immer noch vor uns. Er weiß vermutlich, wem er folgt, aber woher soll er wissen, dass wir ihm folgen?«
»Du hast wirklich eine Gabe, immer die sonnige Seite des Lebens zu sehen, nicht wahr?«, erwiderte Brandark gereizt. Bahzell lachte und marschierte mit geschulterter Axt zu den Bäumen.
Ein handtellergroßes Feuer flackerte am Fuß der Mulde. Bahzell saß am oberen Ende der Vertiefung, sodass sein Kopf gerade über den niedrigen Rand hinausragte, während Brandark hinter ihm schlief. Sein Schwert lag neben ihm. Er verzog das Gesicht und wickelte sich ein bisschen enger in seinen Umhang, als ihm der Wind einige trockene Schneeflocken ins Gesicht blies.
Schnee. Genau das konnten die Entführer brauchen. Wenigstens waren die Wolken lichter, als er befürchtet hatte. Er konnte sogar eine hellere Stelle erkennen, hinter der sich der Mond verstecken musste, und bis jetzt schneite es nur in ganz dünnen Flocken. Es wäre nicht schlecht, wenn es so bliebe, denn Zaranthas Entführer ritten nach wie vor erheblich schneller, als er erwartet hatte. Brandark und er hatten zwar aufgeholt, ihnen setzte das hohe Tempo aber mittlerweile selbst ziemlich zu.
Bahzell hatte nur eine vage Vorstellung davon, wo sie sich befanden, vermutlich irgendwo in der Mittelsteppe. Sie hatten gestern eine Straße überquert, die hier bei den Speermännern vermutlich als Hohe Straße galt und möglicherweise die beiden Städte Midrancimb und Boracimb verband. Falls das zutraf, befanden sie sich noch etwa zweihundert Werst vor Alfroma, und sollten Zaranthas Häscher dieses hohe Tempo durchhalten, mussten die Hradani sie bald einholen, sonst liefen sie Gefahr, es gar nicht mehr zu schaffen.
Diese Gedanken gefielen ihm gar nicht, und unwillkürlich kam ihm der geheimnisvolle Reiter in den Sinn. Bahzell hatte viel Zeit auf der Ebene des Windes zugebracht und erkannte sofort den ausgreifenden Schritt eines Streitrosses der Sothôii an seiner charakteristischen Fährte. Doch ebenso klar war ihm, dass der Reiter keinesfalls ein Sothôii sein konnte. Je länger er darüber nachdachte, desto stärker wurde seine Gewissheit. Der Grund war nicht nur, dass ein Krieger der Sothôii so weit im Süden nichts verloren hatte. Nein, er ritt schließlich wie ein Sothôii und las auch Fährten wie einer. Nur dachte er eben nicht wie einer dieser Krieger. Er dachte nicht einmal wie jemand, der Schwarzen Hexern auf der Spur war.
Der Kurzbogen der Sothôii war in geübten Händen eine tödliche Waffe, und die Krieger der Sothôii waren geborene Schützen. Außerdem waren sie so umsichtig und geduldig wie das Gras selbst, über das sie ritten. Wusste ein Sothôii, mit wem er es zu tun hatte, spürte er den Feind auf, klärte, wer die Hexer unter ihnen waren, stellte sicher, dass seine ersten beiden Pfeile sie erwischten und würde anschließend die anderen einen nach dem anderen auslöschen. Es kostete ihn Zeit, aber er würde sie am Ende alle töten. Wenn jemand ein Lied davon singen konnte, dann ihre Nachbarn, die Pferdediebe, und genau deshalb war Bahzell auch überzeugt, dass dieser Reiter kein Sothôii war.
Trotzdem konnte er nicht herausfinden, um wen es sich handelte, und ihm war wahrhaftig nicht danach, sich mit weiteren Rätseln herumzuschlagen. Es fiel ihm schon schwer genug zu begreifen, warum bei allen Göttern und Dämonen zwei Hradani
mitten im Winter Schwarze Hexer durch das Reich des Speeres hetzten, ohne sich auch noch den Kopf darüber zu zerbrechen, warum jemand anders das ebenfalls tat!
Er stieß einen leisen Fluch aus und setzte sich anders hin.
Sein Freund Brandark war nur seinetwegen dabei. Sicher, er mochte seine eigenen Gründe haben, Zarantha zu helfen, aber er wäre nicht hier, wenn er Bahzell nicht aus Navahk gefolgt wäre, und auch nicht, wenn der Pferdedieb nicht
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