Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
sein, was seine Opfer anging, oder die Gründe, sie abzuschlachten. Doch nicht einmal Churnazh wagte es, ihn in aller Öffentlichkeit zu drangsalieren. Es musste mehr in dem Alten stecken, als man auf den ersten Blick sah, denn immerhin hatte er seinen Sohn Brandark niemals enterbt.
Die schönen Künste galten nicht viel in Navahk – und Brandark war vermutlich der einzige echte Gelehrte in Prinz Churnazhs ganzem verwünschtem Reich. Er hatte sich alles selbst beigebracht, und Bahzell hatte über die Bibliothek gestaunt, die sein Freund zusammengetragen hatte. Sie war zwar Flickwerk, denn man kam nur sehr schwer an Bücher, selbst in Hurgrum, aber dass Brandark selbst in Navahk welche gefunden hatte, schockierte Bahzell fast. Er wünschte sich oft, dass sein Vater Brandarks Sammlung hätte sehen können.
Bahzell selbst war nie ein guter Schüler gewesen. Prinz Bahnak hatte zwar sein Bestes gegeben, wenigstens ein Geringes an Bildung in seinen Sohn zu prügeln, doch es war immer ein mühsamer Kampf gewesen, Bahzell von seinen Waffenmeistern loszueisen. Brandark dagegen hatte sich ganz allein und dazu noch in Navahk mehr Wissen angelesen, als alle Lehrer besaßen, die Bahnak für die Erziehung seiner Söhne bezahlt hatte. Fürstlich bezahlt obendrein, nach den Maßstäben der Hradani.
Das hatte natürlich Konsequenzen gehabt, denn Churnazhs Verachtung für Hurgrum verblasste neben seiner Geringschätzung für einen Blutklingen-Krieger, der derselben Degeneration verfiel. Und Brandark hatte sich nicht gerade bemüht, die abfällige
Meinung seines Prinzen zu ändern. Er nannte sich gern einen Poeten, obwohl Bahzell seine Verse für schauerlich hielt, und versuchte sich auch als Barde. In diesem Punkt musste sich Bahzell wohl oder übel auf Churnazhs Seite schlagen. Die langen, rollenden Laute der Hradani-Sprache eigneten sich sehr gut für Lieder, zum Glück, denn in den Jahrhunderten nach dem Fall von Kontovar war das Volk der Hradani auf die mündliche Überlieferung angewiesen gewesen, und nur die Barden hatten ihre Geschichte in den Liedern am Leben erhalten können. Leider hätte Brandark nicht einmal eine Melodie halten können, wenn sie Griffe gehabt hätte. Er beherrschte zwar die Instrumente wie ein Barde, ihm eignete jedoch keine Stimme, und seine unermüdlichen Versuche, allen das Gegenteil zu beweisen, waren selbst für seine wenigen Freunde ausgesprochen unerträglich.
Der Klang seiner Stimme genügte, dass Churnazh vor Wut schäumte, was möglicherweise auch an der Auswahl seiner Lieder lag. Brandark bevorzugte selbst komponierte Stücke, die von den Favoritinnen des Prinzen handelten. Er vermied es tunlichst, Churnazh direkt anzugreifen, und nur das ungeschriebene Gesetz, nach dem Barden unantastbar waren, sowie seine von seinem Vater ererbte Geschicklichkeit im Umgang mit dem Schwert hatten ihn so lange am Leben erhalten. Er betrieb dieses gefährliche Spiel seit Jahren, und selbst Bahzell fragte sich oft, wie viel Wahrheit in seinen Liedern lag und was Übertreibungen waren, mit denen er Churnazh ärgern wollte. Außerdem hätte er gern gewusst, ob Brandark selbst noch unterscheiden konnte, wann er sich aufrichtig verhielt und wann er nur posierte.
Mittlerweile hatte er die Stelle erreicht, an der er sein eigenes Pferd zurückgelassen hatte, band Brandarks Lasttier an denselben dicken Weidenast und half seinem Freund mit den beiden anderen Pferden. Sie sattelten die Tiere ab und rieben sie trocken.
»Ich glaube, wir haben uns nicht gerade besonders klug verhalten«, erklärte Bahzell und brach das kameradschaftliche Schweigen, als sie die Sättel auf einen umgestürzten Baumstamm legten.
»Sicher, aber es hat ja auch niemand jemals behauptet, du wärest klug.« Brandark setzte sich auf den Baumstamm und zupfte sich seine Spitzenmanschetten zurecht. Er liebte es, den Dandy zu geben, soweit das einem Hradani überhaupt möglich war. Und er ließ keine Gelegenheit aus, um diese Haltung zu unterstreichen.
»Da ist was Wahres dran«, stimmte ihm Bahzell zu und machte sich mit Feuerstein und Stahl daran, ein Feuer zu entzünden. Brandark stand auf und sammelte Holz.
»Immerhin«, warf er über die Schulter zurück, »hast du bei deiner Flucht aus der Stadt bemerkenswert viel Glück gehabt. Ich konnte kaum glauben, dass du es geschafft hast, ohne auch nur eine einzige Leiche zu hinterlassen.«
»Das war kein Glück, das war genaue Planung.«
»Planung, na sicher.« Brandark warf einen Arm voll
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