Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
einschätzen, auch wenn sie es nicht zugab. Brandark aber war trotz seiner Härte ein Stadtmensch. Er hatte noch nie in seinem Leben einen Gewaltmarsch durch Schneeregen und Eis gemacht. Bahzell schon, und genau aus diesem Grund hatten ihm Winterfeldzüge auch immer missfallen. Tothas’ Miene nach zu urteilen hatte der Mann ebenfalls schon genügend Wintermärsche erlebt und freute sich ganz offensichtlich auf diesen hier genauso wenig wie Bahzell. Was eine interessante Frage aufwarf. Wenn er wusste, was ihn erwartete, warum hatte er dann nicht versucht, Zarantha ihren Plan auszureden? Vor allem angesichts seiner geschwächten Konstitution?
Bahzell war fest davon überzeugt, dass ihm die Antwort auf diese Frage nicht gefallen würde. Er seufzte, stand auf, gab Tothas die Karte zurück, schulterte seine Arbalest und marschierte in den Bodennebel hinein. Die anderen folgten ihm ohne jeden weiteren Kommentar.
Der Nebel verzog sich, als der Morgen verstrich, und Bahzells Laune besserte sich, weil seine kleine Gruppe schneller vorankam, als er es zu hoffen gewagt hatte.
Zaranthas Maultier erwies sich als genauso widerspenstig, wie seine schalkhaften Augen dies versprochen hatten. Es machte sogar einen entschlossenen Versuch, sich eine großzügige Portion von Bahzells Arm abzubeißen, als Zarantha es an Brandark vorbei neben den Pferdedieb trieb, um ihm eine Frage zu stellen. Aber sie kontrollierte den misslungenen Versuch mit der Leichtigkeit langer Erfahrung, und bedachte das Tier mit einer recht bildhaften Beschreibung seiner Abstammung, seinen persönlichen Vorlieben und seinem wahrscheinlichen Schicksal, bei der beide Hradani anerkennend die Ohren spitzten. Das Maultier schien dagegen unbeeindruckt, beruhigte sich jedoch nach einem letzten, sehnsüchtigen Blick auf Bahzells Arm. Nachdem der Pferdedieb Zaranthas Frage beantwortet hatte, wendete sie und trieb das Tier mit den Hacken in den Trab. Bahzell verzog sarkastisch die Lippen, als er sah, wie sie sich mühelos wieder auf ihren Platz neben Rekah einreihte. Sie konnte sich auf einem Pferd halten? Also wirklich!
Tothas und Brandark wechselten gegen Mittag ihre Plätze. Der Leibgardist ritt einträchtig an Bahzells Schulter, und der Pferdedieb fragte ihn nach den Bedingungen aus, die sie vermutlich erwarteten. Der Hradani konnte mit dem, was er erfuhr, nicht viel anfangen, doch das war nicht Tothas’ Schuld. Die Antworten des Speermannes verrieten, dass der Mann ganz genau wusste, wonach Bahzell fragte und warum. Außerdem verdeutlichten sie seine Einsicht in die Strapazen, die vor ihm lagen, während er gleichzeitig mit jedem Wort Bahzells Verwirrung steigerte. Der Mann hatte offensichtlich das Zeug zu einem Offizier, und Rianthus hätte ihm ohne zu zögern das Kommando über eine Abteilung oder eine Kompanie übergeben. Was Tothas in den Diensten eines verarmten »Edelfräuleins« wie Zarantha tat, verblüffte den Hradani. Allerdings war er eindeutig mehr als ein einfacher Söldner. Selbst während er in der Kolonne neben Bahzell ritt, beobachtete er Zarantha ständig aus dem Augenwinkel,
und seine Antworten, die er so bereitwillig gab, wenn es um den Zustand der Straßen und des Geländes ging, wurden höflich ausweichend, wenn Bahzell das Gespräch auf seine Herrin lenkte.
Bahzell konnte sich denken, dass Zarantha vieles über sich verschwiegen hatte. Dass aber Tothas die Verschwiegenheit seiner Herrin so bereitwillig deckte, ganz gleich, worum es sich handelte, beruhigte den Pferdedieb seltsamerweise. Er hätte nicht sagen können warum, doch er mochte Tothas, mehr sogar als Zarantha, obwohl er sich allmählich auch für sie erwärmte. Außerdem, sagte er sich, hatte Zarantha vermutlich viele berechtigte Gründe für ihre Vorsicht. Ihre Bereitschaft, zu dieser Jahreszeit zu reisen, war ein zwingender Beweis für die ernste, wenn nicht gar verzweifelte Lage, in der sie sich befand, und auch wenn sie Bahzell und Brandark manipuliert hatte, damit sie ihr halfen, bedeutete das noch nicht, dass sie Grund hatte, zwei Hradani zu vertrauen, die sie kaum kannte.
Sie kamen zügig voran und zogen an einem Dorf vorbei, das sie kurz vor Sonnenuntergang erreichten. Bahzell sehnte sich zwar nach dem Luxus eines Daches über dem Kopf und vier Wänden um sich herum, aber sie hatten zu wenig Geld, als dass sie es für Gasthäuser hätten verschwenden können. Er hielt die Augen auf, während sie die Hochstraße hinabstiegen, doch es war Tothas, der den geeigneten
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