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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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nennen sie nur ›die Welt‹. Aber unser Land heißt Parva und wir sind die Parvai.«
    Verwirrt schaute Sonja sie an. »Ich dachte, ihr – Elri sagte doch, sie wäre eine Elarim.«
    »Die Elarim sind nur einer von sieben Stämmen der Parvai. Westlich von hier leben die Ava und die Teshante, nördlich von hier leben die Nepe, und im Osten leben die Lorej, die Marui und die Kari. Früher gab es im Norden auch noch die Enat, aber jetzt nicht mehr.«
    »Was ist denn passiert?«, fragte Sonja beklommen.
    »Das kann ich dir jetzt nicht erzählen. Wichtig ist nur, dass wir Stämme in Frieden miteinander lebten. Aber vor einigen Jahren zogen die Teshante in die Berge und bauten die Festung Chiarron. Ghadan und Aletheia, ihre Anführer, fordern Tribut, und wir bezahlen ihn. Aber wir haben gehört, dass sie sich damit nicht länger zufriedengeben. Ihr Ziel ist es, alle Stämme zu unterwerfen. In diesem Jahr werden wir im Winterlager nicht nur Hochzeiten vereinbaren und Feste feiern. Wir werden besprechen, ob wir zum Kampf gegen die Teshante rüsten sollen.«
    Schlagartig war das Gefühl, auf dieser Welt bleiben zu wollen, verschwunden. Entsetzt hielt Sonja den Atem an. »Aber – was soll ich denn dann da?«
    »Hab keine Angst – dein Weg führt nicht ins Winterlager, Yeriye.« Ganna schnalzte wieder mit der Zunge und die Antilopen liefen ein wenig schneller. »Du sollst zu Veleria gehen.«
    »Wer ist denn das?«
    »Sie ist eine Anführerin der Tesca, die östlich des Flusses leben. Veleria wohnt eine Tagesreise von hier entfernt am See. Du sollst ihr das Amulett geben, das du gefunden hast.«
    »Aber wieso? Warum kann ich es euch nicht geben? Das geht mich doch alles gar nichts an!«
    »Doch, Sonja«, sagte Ganna. »Nachtfrost hat dich zu uns gebracht, damit du genau das tust.«
    »Das kann doch gar nicht sein! Ich habe das blöde Dingdoch nur zufällig gefunden! Ich will es nicht haben! Und ich will es auch nicht irgendwohin bringen! Macht das doch selbst!« Ohne nachzudenken, riss Sonja sich das Amulett vom Hals und schleuderte es in hohem Bogen weit weg ins Gras.
    Ganna zog die Zügel an und die Antilopen blieben stehen. Die alte Frau schaute dorthin, wo das Amulett im Gras lag und im Mondlicht schimmerte, und dann schaute sie Sonja an, die wütend und herausfordernd zurückstarrte, obwohl ihr unter dem ruhigen Blick zunehmend unbehaglich wurde.
    Auch die anderen Wagenlenker hielten an, während die Birjaks noch ein Stück weiterzogen und dann zu grasen begannen. Selbst in der Dunkelheit spürte Sonja, dass die Nomaden sie ansahen, und ihr wurde ganz heiß.
    »Was?«, begehrte sie auf, obwohl Ganna gar nichts gesagt hatte. »Ihr könnt mich nicht zwingen!«
    »Nein«, sagte Ganna, »das können wir nicht. Aber wir können dich bitten, uns zu helfen. Das Amulett gehört Veleria und muss ihr zurückgebracht werden.«
    »Kann sie es nicht abholen?«
    Sofort merkte Sonja, dass das eine ganz dumme Frage gewesen war, wenn sie auch nicht wusste, warum. Ganna schaute sie einen Moment lang völlig ausdruckslos an und sagte dann knapp: »Nein.«
    »Aber wenn sie es hier verloren hat –«
    »Ich vermute, dass es ihr gestohlen wurde.«
    »Aber –«
    »Und zwar von jemandem, der es nach Chiarron bringen wollte. Doch scheint er es hier in Duntalye verloren zu haben.« Sie musterte Sonja nachdenklich. »Du hast es an der Küste gefunden, nicht wahr?«
    Sonja nickte. »Ganz dicht am Abgrund.« Unwillkürlich fröstelte sie. Eigentlich wollte sie nicht an diesen Abgrund erinnert werden. Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Könnte es der Spürer gewesen sein, der es gestohlen hat? Dieser Gundar von – von –«
    »Keban«, sagte Ganna. »Ja, vielleicht. Das würde auch erklären, warum er Elri ausgefragt hat – aber er fragte nach einer Person, nicht nach einem Gegenstand. Und nach dem Taithar.«
    »Würdet ihr ihm das Amulett denn geben, wenn er euch danach fragen würde?«
    Ganna lachte leise. »Jetzt hast du mich erwischt. Nein, das würden wir nicht. Es gehört Veleria und muss ihr zurückgegeben werden. Aber wir können das nicht tun.«
    »Und warum nicht?«
    Eigentlich war Sonja noch immer wütend, aber gegenüber Gannas unveränderter Freundlichkeit fiel es ihr doch recht schwer.
    »Weil wir es nicht anfassen können«, antwortete Ganna schlicht. »Es verbrennt uns die Haut.«
    Ungläubig starrte Sonja erst sie, dann das Amulett an. »Was? Aber ich –«
    »Ganz richtig. Du konntest es anfassen und dir die Kette um den Hals

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