Der Schwur
»Ganz sicher nicht. Ich warte hier.«
Melanie wurde rot und wusste keine Antwort. Also drehte sie sich nur um und ging zur Tür, wobei sie fieberhaft überlegte, wie sie ihrer Mutter erklären sollte, dass der kriminelle Philipp Berger vor dem Haus stand.
Ihre Mutter wartete schon im Flur und das Funkeln in ihren Augen verhieß nichts Gutes. »Melanie Vittori! Was hat dieser Kerl hier verloren? Und du redest auch noch mit ihm! Habe ich dir nicht erst gestern verboten, mit diesen Leuten in Kontakt zu bleiben?«
Melanie biss sich auf die Lippe. »Mama – Sonja ist verschwunden!«
»Na und? Was geht uns das – Moment. Sagtest du verschwunden? Wie verschwunden? Ausgerissen? Ah, das habe ich mir gleich gedacht. In dieser Familie braucht man sich über gar nichts zu wundern! Enrico! Hast du das gehört? Die Tochter von Bergers ist ausgerissen!«
»Ich habe nur etwas von verschwunden gehört«, klang es unter dem Esstisch hervor, wo Herr Vittori gerade ein lockeres Holzbein festschraubte. Mit gerötetetem Kopf tauchte er wieder auf. »Was ist passiert, Mela?«
Melanie schniefte und zog die Nase hoch. Mit einer Miene eisiger Missbilligung reichte ihre Mutter ihr ein Taschentuch und sie schnäuzte sich kräftig hinein. »Sonja ist weg. Sie ist zum Waldhof gefahren, wegen – wegen – der Ponys, und ihr Fahrrad ist noch da, aber ganz zerbeult, und sie ist weg.«
»Ihr Fahrrad ist noch da?« Herr Vittori fuhr sich durch seine verschwitzten Haare und sah danach aus wie ein grauer Igel. »Das ist aber gar nicht gut. Und ihr Bruder ist draußen?«
Melanie nickte. »Ich habe doch diesen verletzten Jungen gefunden. Der, wegen dem ich das Handy verloren habe. Philipp sagt, er hätte vielleicht etwas gesehen. Mama, in welches Krankenhaus haben sie ihn gebracht?«
»Das weiß ich nicht«, sagte die Mutter, aber sie sah jetzt auch nachdenklich aus. »Warte mal.«
Sie ging hinüber zum Telefon und wählte auswendig eine Nummer und wartete.
»Guten Tag, Vittori. Ich habe gestern einen Krankenwagen für einen verletzten ausländischen Jungen zum Forstwald gerufen. Können Sie mir sagen, in welches Krankenhaus Sie – ja, danke. Ich warte. Was soll das heißen, Sie können es mir nicht sagen? Sind Sie eine Aushilfe? Haben Sie meinen Namen nicht verstanden? Vittori. Vittori! Ganz genau. Ganz richtig. Ich kann sehr gerne auch mit Ihrem Vorgesetzten – ach, das ist nicht nötig? Sehr schön. Das Städtische? Gut, vielen Dank. Auf Wiederhören.«
Melanie strahlte. Manchmal war es doch richtig nützlich, einflussreiche Eltern zu haben. »Danke, Mama!« Sie rannte nach draußen.
»Städtisches Krankenhaus«, sagte Philipp. »Schön, dann schwinge ich mal die Hufe. Bis später.«
»Kann ich nicht mitkommen?«
»Ich dachte, du wolltest den Kerl nie wiedersehen? KeineSorge, ich bringe dir dein Handy schon vorbei. Nicht dass es nachher heißt, ich wäre auch noch ein Dieb.«
Melanie wurde knallrot. »Das ist es nicht! Aber Sonja ist meine Freundin!«
Philipp lachte nur und sie verabscheute ihn mehr denn je. Aber endlich gab er nach. Jetzt blieb nur noch das Elternproblem. Melanies Mutter war dagegen, dass ihre Tochter auch nur einen Schritt in der Gesellschaft »dieses Kriminellen« tat, aber nach einer hitzigen Diskussion gab sie dann doch nach. Sie verlangte nur noch, dass Melanie die dreckigen Klamotten ausziehen und sich etwas Vernünftiges anziehen sollte.
Melanie zog sich in fliegender Eile um und stürzte nach draußen, bevor die Eltern es sich doch noch einmal anders überlegten.
Philipp hatte tatsächlich auf sie gewartet und sie machten sich auf den Weg zum Krankenhaus.
Dort angekommen, stießen sie gleich an der Pforte auf das erste Hindernis.
»Wir möchten einen Jungen besuchen, der am Freitag eingeliefert wurde«, sagte Philipp zum Pförtner. Der Mann blickte kaum von seiner Zeitschrift auf. »Name?«
»Äh ...« Philipp warf Melanie einen Blick zu – und sie wurde rot. »Ich weiß nicht.«
»Ohne den Namen kann ich euch nicht durchlassen.« Der Pförtner vertiefte sich wieder in die Zeitschrift.
»Er hatte ein Messer«, sagte Melanie verzweifelt. »Und sein Fuß war verletzt. Und er hatte ganz komische Kleider an und sprach kein Deutsch. Und er hat mein Handy!«
»Tut mir leid. Nur Verwandtenbesuch. Spezielle Anweisung vom Chefarzt.«
»Also ist er hier?«, fragte Philipp rasch.
»Ich darf keine Auskunft geben«, erwiderte der Pförtner und machte das Sichtfenster seiner Loge zu.
Philipp beugte sich
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