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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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länger vorkam. Aber wo sollte sie hier etwas zu essen finden? Sie wusste ja nicht einmal, welche Jahreszeit es war. Und selbst wenn Sommer war, wusste sie nicht, welche Beeren und Früchte hier essbar waren.
    Wahrscheinlich musste sie einfach warten, bis sie bei Veleria war. Die Frau würde ihr bestimmt etwas geben.
    Nachtfrost wandte den Kopf zu ihr, schnaubte leise und schnupperte an ihrer Hand. Sie streichelte sein Maul, dann seine Stirn, wobei sie darauf achtete, das Horn nicht zu berühren. Es war ihr zwar nicht unbedingt unheimlich, aber in allen Geschichten hatte das Horn eines Einhorns magische Kräfte, und sie wollte diese Kräfte lieber nicht herausfordern.
    »Was machen wir jetzt? Du weißt doch bestimmt, wo diese Veleria wohnt, oder? Ist es noch weit?«
    Er schnaubte wieder.
    »Das ist echt blöd. Warum kann ich dich manchmal verstehen und manchmal nicht?«
    Er schüttelte den Kopf, dass Mähne und Ohren flogen. Es sah so albern aus, dass sie lachen musste. Als er stillhielt, griff sie in die Mähne, aber zu ihrer Überraschung geschah nichts. Sie runzelte die Stirn. »Stimmt was nicht? Soll ich nicht reiten?«
    Er stupste sie nur mit dem Maul an.
    »Du willst doch nicht, dass ich alleine da hochklettere, oder? Du bist viel zu groß!«
    Auf Mickys oder Bjarnis Rücken war sie immer problemlos hinaufgekommen. Einfach einen Schritt zurück, Schwung holen und rauf! Aber das waren Ponys gewesen,keine Einhörner von der Größe eines Friesen! Bisher war ihr gar nicht aufgefallen, wie groß und kräftig ihr Einhorn tatsächlich war. Mit den grazilen, glitzerweißen Fantasyeinhörnern, die sie bisher in Büchern oder Filmen gesehen hatte, hatte Nachtfrost jedenfalls nichts gemein.
    Sie schaute sich nach etwas um, das sie als Leiter benutzen konnte, aber da war nichts außer Gras und Bäumen und dem ständigen Klingeln, das sie allmählich doch nervös machte. Wo kam es nur her?
    Egal – sobald sie auf Nachtfrosts Rücken saß, konnten sie davongaloppieren und das Klingeln weit hinter sich lassen.
    »Du bist echt albern«, sagte sie zu dem schwarzsilbernen Zauberwesen. »Glaubst du vielleicht, ich hab eine Leiter dabei?«
    Das Schnauben klang, als ob er sie auslachte. Er wandte sich ab und trottete los. Sonja rannte ihm nach. »He! Was soll das? Warte!«
    Er blieb kurz stehen und wartete, bis sie ihn eingeholt hatte, dann trottete er weiter. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als neben ihm herzulaufen, bis sie einen Baumstumpf oder Felsen fand oder er sie selber wieder auf seinen Rücken holte.
    Vorläufig sah es allerdings nicht so aus. Er ging so langsam, dass Sonja mühelos Schritt halten konnte, aber reiten lassen wollte er sie offenbar nicht. Trotzdem hielt sie sich an seiner Mähne fest – nur für alle Fälle.
    Dem Klingeln entkam sie so jedenfalls nicht. Es kam von allen Seiten, auch von oben; mal etwas stärker, mal schwächer. Sie schaute nach oben ins Laub der silbergrauen Bäume, konnte aber nur ein Glitzern hoch über ihr erkennen. Endlich gab sie es auf und konzentrierte sich auf ihren Weg.
    Seltsamerweise gab es einen Weg, obwohl dieser Wald absolut kein Forstwald war. Hier hatte bestimmt noch nie ein Mensch einen Baum gefällt. Die Bäume ließen einander viel Platz, und zwischen ihnen wucherte Gestrüpp, hier und da wuchs ein Schößling, aber es gab auch Bäume, die vom Blitz getroffen worden oder zu alt gewesen und umgestürzt waren. Manche hatten Schneisen in den Wald gerissen, andere hatten sich in den umstehenden Bäumen verhakt. Der Weg, kaum mehr als ein schmaler Fußpfad, schlängelte sich zwischen den Stämmen hindurch, wo gerade Platz war. An manchen Stellen war er so schmal, dass Sonja Nachtfrosts Mähne loslassen und hinter ihm gehen musste. Es gab auch ein paar morastige Stellen, wo sie ausweichen und sich durchs Gestrüpp schlagen musste, während Nachtfrost einfach mitten hindurchplatschte und das auch noch zu genießen schien.
    Sie waren vielleicht eine Stunde unterwegs, und Sonjas Magen knurrte immer lauter, als Nachtfrost plötzlich wie angewurzelt stehen blieb und lauschte. Sonja hielt ebenfalls an, aber sie hörte nichts außer dem Klingeln in den Bäumen.
    »Was ist denn?«
    Er legte die Ohren an und warf den Kopf hoch und sie klappte erschrocken den Mund zu. Aber es war schon zu spät; sie waren bemerkt worden.
    Ohne Vorwarnung tauchten von überall her kleine braunhäutige Wesen auf. Sie reichten Sonja kaum bis zur Hüfte, trugen zerlumpte graue Kittel und hatten wirre

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