Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
Vom Netzwerk:
vor der klobigen Gestalt – und Sonja wurde plötzlich klar, dass dieser Troll der Felsen gewesen war, der sie gerettet hatte. Zögernd hob sie die Hand und winkte ihm vorsichtig zu.
    Der Troll winkte noch einmal und dann sank er in sich zusammen und war wieder ein Felsen. Nachtfrost schnaubte und trabte los.
    Sonja setzte sich auf seinem Rücken zurecht. »Warum hast du mich vorhin nicht reiten lassen?«, fragte sie. »Wir hätten doch einfach vor diesen Monstern wegrennen können!« Aber er schüttelte nur den Kopf und trabte weiter.
    »Naja«, sagte sie nach einiger Zeit, »vielleicht hast du recht. Die hätten einfach mit ihren widerlichen Pfeilen auf uns geschossen.« Unwillkürlich erschauerte sie. Nachtfrost schnaubte.
    »Und du wusstest, dass sie da waren, oder? Oder zumindest da sein könnten?«
    Er schnaubte wieder. Aber ob das nun eine Zustimmung oder Verneinung war, konnte sie nicht sagen.
    Nach und nach legte sich der Schrecken, aber sie war jetzt viel aufmerksamer und schaute sich ständig um. Diese Wesen waren aus der Erde gekommen und jeder Felsen konnte ein Troll sein. Vielleicht waren auch die Bäume gar keine richtigen Bäume? Ob es so etwas wie Baumgeister gab, die sie vielleicht jetzt gerade beobachteten? Bei dem Gedanken fühlte sie sich sehr unbehaglich.
    Hol das Amulett heraus , hörte sie. Trag es offen.
    »Gute Idee.« Das hatte sie ja vorhin ohnehin tun wollen. Sie zog das Amulett heraus. »Sind wir jetzt bald da? Ich hab ganz schön Hunger.«
    Er schüttelte nur den Kopf und trabte weiter.

V
elerias Haus
    Den ganzen Vormittag über blieb es bewölkt, aber gegen Mittag kam die Sonne durch und tauchte den Wald in grüngoldenes Licht. Sonja schaute beunruhigt nach oben – was, wenn die Eiskristalle in den Bäumen zu schmelzen begannen und der nächste Hagel auf sie heruntersauste? Aber es tropfte nur ab und zu ein wenig, wie nach einem heftigen Regenschauer.
    Also hielt sie lieber nach etwas Essbarem Ausschau, denn ihr Magen knurrte inzwischen gewaltig. An einer kleinen Quelle hielten sie an und tranken, und zu Sonjas Erleichterung kam nichts Schlimmeres aus dem Wasser als ein großer brauner Frosch, der hastig ins Dickicht hüpfte. Dann ritten sie weiter den Weg entlang, der sich tiefer und tiefer in den Wald schlängelte und sich gelegentlich im Gras verlor. Dreimal war Sonja davon überzeugt, dass sie ihn längst verloren hatten, aber Nachtfrost ging unbeirrt weiter, und irgendwann konnte sie den schmalen Trampelpfad dann auch wieder erkennen.
    An das Klirren und Klingeln der Eiskristalle hatte sie sich mittlerweile gewöhnt und lauschte nur noch den übrigen Geräuschen des Waldes – Vogelrufen, die sie nicht kannte, hin und wieder ein Schnarren in weiter Ferne oder das Keckern kleiner brauner Geschöpfe, die in den Bäumen herumturnten und die sie für Eichhörnchen oder etwas Ähnliches hielt. Hin und wieder hörte sie allerdings auch ein Zischeln, das fast so klang wie die Sprache der schrecklichen kleinen Gnome, aber Nachtfrost blieb ganz ruhig und legte nicht einmal die Ohren an.
    Eigentlich war dieser Wald viel schöner als der langweilige Forstwald zu Hause, dessen Wege schnurgerade und von Traktoren ausgewalzt waren und dessen Bäume alle in geraden Reihen standen. Dort gab es nichts Gefährlicheres als Wildschweine, und trotzdem hatte ihre Mutter immer so getan, als drohe ihrer Tochter eine tödliche Gefahr, sobald sie allein zum Waldhof fuhr. »Da sollte sie mal sehen, was hier herumläuft«, dachte Sonja. Ganz allein war sie zwar nicht, weil ja Nachtfrost bei ihr war. Aber die Unterhaltungen waren doch etwas einseitig; offenbar redete er nur mit ihr, wenn sie in Gefahr geriet. Es wäre schön, Melanie bei sich zu haben – vielleicht auf einem anderen Einhorn, einem weißen mit goldener Mähne oder so. Zumindest könnten sie sich unterhalten. Aber Melanie war – ja, Moment. Heute war Montag, also saß sie in der Schule, lernte Englisch und hatte keine Ahnung, dass ihre beste Freundin auf einem Einhorn in einer fremden Welt herumritt, ein magisches Amulett trug, Trollen, bösartigen Gnomen und sechsbeinigen Büffeln begegnete und von einem Mann namens »Spürer« gejagt wurde.
    Ein Schauer überlief sie, als sie sich an den Spürer erinnerte. Ob er sie wirklich verfolgte? Sie lauschte, konnte aber nichts hören. Vielleicht hatte er Nachtfrosts Spuren in dem endlosen Grasmeer verloren. Und Nachtfrost würde sie warnen, wenn jemand kam.
    Irgendwann drehte der Wind und sie

Weitere Kostenlose Bücher