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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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gelbe Haare, die offenbar nie gekämmt wurden. Im ersten Moment fand Sonja sie lustig und musste lachen, aber dann sah sie die Gesichter. Es waren menschenähnliche Gesichter, mit Augen, Nase und Mund an den richtigen Stellen, aber dieAugen waren tückisch und böse, die Nasen krumm und schief, und die Münder waren riesig und voller spitzer Reißzähne. Jedes der Wesen war mit Pfeil und Bogen bewaffnet, und blitzschnell hatten sie Sonja und Nachtfrost eingeschlossen, spannten die Bögen und zielten.
    Sie schrie auf. Nachtfrost stand reglos, zitternd, mit fest angelegten Ohren. Seine Augen blitzten drohend, und die Wesen hielten reichlich Abstand von seinem Horn und den Hufen. Nicht einmal beim Näherkommen des Spürers hatte sie ihn so wütend gesehen.
    Eins der Wesen sagte etwas in einer rauen, zischelnden Sprache. Sonja verstand kein Wort; der Sprachzauber schien nicht zu wirken. Aber die Bedeutung des Befehls verstand sie rasch genug: Die Wesen begannen, sie von Nachtfrost wegzudrängen, wobei sie unverändert auf sie zielten.
    »Lasst mich in Ruhe! Hilfe! Nachtfrost!«
    Er warf den Kopf hoch, rührte sich aber nicht. Und sie begriff auch, wieso: Bei der kleinsten Bewegung würden sie nicht auf ihn schießen, sondern auf sie. Verzweifelt dachte sie nach. Was konnte sie tun? Das Amulett! Es hatte sie vor dem Spürer gerettet – vielleicht half es ihr auch hier! Sie hob die Hand zum Kragen, um es herauszuziehen – und sofort spannten sich die Bögen noch mehr. Sie erstarrte. Die kleinen Ungeheuer bleckten ihre scheußlichen Zähne. Schon war sie fast zehn Meter von Nachtfrost entfernt. Die Wesen trieben sie auf eine Lichtung zu, auf der wohl doch einmal ein größerer Kahlschlag stattgefunden hatte. Wurzelreste von umgestürzten Bäumen standen dort inmitten von Gras und Gestrüpp. Am Rand der Lichtung befand sich ein großer Felsbrocken, der leicht nach vorne geneigt war und bestimmt guten Schutz bei Regen bot – nur leider schützte er sie nicht gegen diese Monster.
    Plötzlich stieß Nachtfrost ein gellendes Wiehern aus und gleichzeitig hörte sie einen Schrei in ihrem Kopf: Unter den Felsen! Renn!
    Sie dachte nicht darüber nach. Die Wesen fuhren bei dem Schrei herum und sie stieß zwei von ihnen beiseite und rannte auf den Felsen zu. Mit einem Hechtsprung landete sie unter dem Überhang – und keine Sekunde zu früh, denn aus den Bäumen stürzte ein Hagel von glitzernden, scharfkantigen Kristallen auf die überraschten Gnome herab. Einige wurden getroffen und fielen um. Die anderen schienen sich aufzulösen, in der Erde zu versinken oder mit ihr zu verschmelzen – und plötzlich waren sie alle weg. Als der Hagel aufhörte, waren nur noch drei tote Gnome zu sehen, die rasend schnell zu Erde zerfielen und verschwanden. Der Boden war übersät mit Kristallen, doch auch sie schmolzen wie Schnee im Frühling und hinterließen nur ein paar Pfützen.
    Sonja kauerte unter dem Felsen und zitterte am ganzen Körper. Nachtfrost kam zu ihr, senkte den Kopf und stupste sie liebevoll an. Sie schlang ihre Arme um seinen Kopf und brach in Tränen aus. Nachtfrost hielt geduldig still, aber schließlich schnaubte er doch. Sonja schniefte, wischte sich die Tränen ab und nickte. »Du hast ja recht. Ich komme schon. Wir müssen diese Veleria finden.«
    Diesmal beförderte der Griff in seine Mähne sie wieder auf seinen Rücken. Sie fing allmählich an, das ganz normal zu finden, und dachte gar nicht darüber nach. Nur weg aus dieser scheußlichen Gegend! Nachtfrost war wohl der gleichen Meinung, denn er trabte sofort los.
    Als sie den Weg erreichten, hatte Sonja plötzlich das deutliche Gefühl, beobachtet zu werden, und Nachtfrost hielt an, ohne dass sie ihm ein Zeichen dazu gab. Rasch drehtesie sich um und schaute zurück zu dem Felsen, der sie vor den Eiskristallen geschützt hatte.
    Aber da war kein Felsen mehr. Wo er gestanden hatte, vor der Lichtung mit den dunklen, bedrohlich wirkenden Wurzelstöcken, stand jetzt eine große, klobige Gestalt, die wie aus Steinen zusammengefügt aussah, und schaute Sonja und Nachtfrost nach. Dann hob sie langsam die Hand wie zu einem Winken.
    Sonja starrte das Wesen fassungslos an. Was war das jetzt wieder?
    Troll, klang Nachtfrosts Stimme in ihrem Kopf.
    In allen Geschichten, die Sonja je gelesen hatte, waren Trolle schreckliche Monster, die Menschen fraßen und bei Tag zu Stein erstarrten. Sie fuhr heftig zusammen. Aber Nachtfrost blieb ganz ruhig, neigte sogar ein wenig den Kopf

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