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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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und wischte sich über die Augen. »Also gut«, brachte sie hervor. »Reiten wir weiter. Nach Chiarron.«
    Hab keine Angst, hörte sie in ihrem Kopf. Die Göttin lässt nichts ohne Grund geschehen.
    Aber jetzt gerade war das keine Hilfe.
    Nachtfrost fiel in Trab, dann in einen weichen, schwebenden Galopp. Sonja kauerte sich auf seinem Rücken zusammen und versuchte, nicht daran zu denken, dass sie Melanie und Darian in dieser scheußlichen Dunkelheit zurückließen. Natürlich dachte sie daraufhin die ganze Zeit an nichts anderes mehr, und ihre Gedanken waren sosehr in der Dunkelheit verloren, dass sie gar nicht merkte, wie es rings um sie herum immer heller wurde, bis der Nebel plötzlich verflog und das schwarze Einhorn auf einem abschüssigen Hang durch einen tief verschneiten Märchenwald trabte. Der Himmel war grau überzogen, es roch nach Erde und Schnee. Einen Weg schien es nicht zu geben; leichtfüßig trabte Nachtfrost dort zwischen den Bäumen hindurch, wo gerade Platz war.
    Sonja setzte sich aufrecht hin und schaute sich verblüfft um. War das wirklich Parva? Es sah so gar nicht nach der Steppe oder dem Kristallwald aus! Und wie hatte es so schnell Winter werden können? Zu Hause war es doch noch immer Herbst!
    »Wo sind wir hier?«
    Nachtfrost schnaubte nur. Sonja seufzte. Eigentlich sollte sie doch allmählich wissen, dass ihr Einhorn sich nur mit ihr unterhielt, wenn es etwas Wichtiges zu besprechen gab. Offenbar fand Nachtfrost es nicht wichtig, ihr zu besseren Ortskenntnissen zu verhelfen. Allerdings musste sie auch zugeben, dass ihr eine Ortsangabe wie »in Parva« nicht besonders weitergeholfen hätte.
    Kalt war es hier. Fröstelnd zog sie ihre blaue Jacke enger um sich und schaute sich um. Der große Felsblock da – ob das wohl ein Troll war? Sie behielt ihn im Auge, während Nachtfrost an ihm vorbeitrabte, und dann drehte sie sich noch einmal um – aber er blieb ein formloser Stein, nichts weiter. In der Ferne heulten Wölfe. Waren das die Tesca? Oder waren es Wölfe, die versuchen würden, sie zu fressen? Warum hatte sie Asarié nicht nach den Gefahren dieses Landes gefragt? Darian hätte ihr alles erklären können, aber der war weg und hatte ihr nicht einmal mehr das Passwort für das Tor von Chiarron sagen können.
    Irgendwo in der Nähe krachte etwas und Sonja zuckte zusammen. Aber danach blieb alles still, niemand griff sie an, nichts regte sich außer den Ästen der Bäume. Vielleicht war nur ein Ast unter dem Gewicht des Schnees gebrochen.
    Nachtfrost strebte jetzt einen steileren Hang hinauf. Wie eine Bergziege erklomm er den Hügel, und Sonja krallte sich in der Mähne fest und drückte die Beine an, um nicht nach hinten abzurutschen. Ihre Hände und Füße waren schon kalt und steif, und allmählich merkte sie auch, dass sie in der Nacht überhaupt nicht geschlafen hatte. Aber wo sollte sie hier in der Wildnis schlafen?
    Dann erreichten sie die Hügelkuppe, auf der keine Bäume wuchsen. Nachtfrost blieb stehen und Sonja war schlagartig wieder wach und hielt den Atem an.
    Sie hatte gedacht, sie befände sich in einer bewaldeten Hügellandschaft ohne nennenswerte Höhen. Stattdessen stand sie auf einem Berg und unter ihr breitete sich ein Gebirge aus. Bis zum Horizont zogen sich schroffe Bergketten, die unter einer dichten Schneedecke lagen. Und auf einem dieser Berge, vielleicht drei Kilometer entfernt, lag die Festung Chiarron.
    Etwas anderes konnte dieses Gebilde nicht sein. Es war ein einzelner, hoher Turm aus dunklem Stein, umgeben von einem Kranz kleinerer Türme. Aus dieser Entfernung sah die Festung wie eine schwarze Krone aus. Wie groß sie war, konnte Sonja nicht einschätzen, aber sie musste gewaltig sein.
    Das war Darians Zuhause? Ein solch riesiger, finsterer Bau? Ganz schön ungemütlich – aber nun konnte sie die Blicke verstehen, mit denen er ihr Zimmer und die ganze Wohnung gemustert hatte. Wahrscheinlich hatte er alleinmehr Platz zur Verfügung als Sonjas ganze Familie zusammen.
    Eine Bewegung im Tal vor ihr zog ihren Blick auf sich.
    Dort gab es nur wenige Bäume. Ein paar windschiefe, aus dunkelbraunen Holzbrettern zusammengehauene Hütten gruppierten sich im Kreis um einen Platz, auf dem ein Feuer brannte. In der Nähe des Feuers standen ein paar Leute herum und schienen sich zu unterhalten.
    Das Kleine Volk , ertönte Nachtfrosts Stimme in Sonjas Kopf; das war also offenbar eine wichtige Information.
    »Das Kleine Volk? Du meinst Elfen oder so etwas? Können wir

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