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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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nichts mehr wissen wollten. Schön, vielleicht war ein Prinz von Chiarron auch nichts Besonderes. Vielleicht gab es in der anderen Welt Dutzende davon. Aber es gab auch Melanie, die Dritte im Bunde der Auserwählten. Egal, was diese blöde Asarié sagte, sie hatte eine Aufgabe! Was konnte eine bloße Brückenwächterin schon wissen? Das war doch wieder nur dummes Erwachsenengerede – »Es ist zu gefährlich, wer weiß, was passiert!«
    Was sollte schon passieren? Wenn Sonja in die fremde Welt reisen konnte, konnte Melanie es auch. Sie hatte ja nicht vor, sich in irgendwelche halsbrecherischen Abenteuer zu stürzen. Schön, sie war nicht die »Auserwählte«. Aber sie war die beste Freundin, und sie wollte mitkommen.
    Also blieb sie natürlich nicht brav im Haus und wartete darauf, dass Asarié sie wie einen entflogenen Kanarienvogel wieder zu ihren Besitzern zurückbeförderte. Sie zog ihren Anorak an und schlich hinter Asarié, Darian und Sonja her. Und dabei wurde sie noch wütender. Sie hatte es doch nun wirklich nicht nötig, sich zu verstecken!
    Die drei gingen über den nächtlichen Hof und zwischen zwei Stallgebäuden hindurch zu den Koppeln. Melanie wurde es etwas mulmig zumute, als sie sah, dass der riesige weiße Hund sich ihnen anschloss. Aber obwohl er ein oder zweimal witternd den Kopf hob und sich umdrehte, blieb er doch still. Also schlich sie weiter, müde, frierend, wütend und enttäuscht.
    Dann sah sie Nachtfrost.
    Sein Körper war schwarz, schien aber im Glanz der silbernen Mähne zu leuchten. Das Horn auf seiner Stirn war ein helles Licht.
    Mit erhobenem Kopf stand er da, Mähne und Schweif wehten im Wind, und durch den Nebel im Gras sah es aus, als stände er in den Wolken.
    Und er schaute Melanie direkt an.
    Sie erschrak und wich unwillkürlich in den Schatten zurück, obwohl sie gar nicht wusste, wovor sie sich fürchten sollte. Noch nie hatte sie etwas so Schönes und zugleich so Wildes gesehen. Das war kein irdisches Tier, kein zum Leben erwachtes Fabelwesen, es war viel mehr und ganz anders, wunderschön, gefährlich und fremd … und dann trabte es los, und Sonja rannte dem Tier entgegen und warf ihm die Arme um den Hals, als sei es für sie nichtfremder als Micky und Bjarni, die alten Ponys auf dem Waldhof.
    Wie angewurzelt blieb Melanie stehen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Sollte sie doch lieber umkehren? Was war das für eine Welt, die solche Wesen erschuf? Vielleicht war es doch klüger, nach Hause zu fahren und die ganze Sache zu vergessen?
    Nein! Sie würde nicht kneifen! Sie hatte beschlossen, mitzugehen, also würde sie es auch tun!
    So leise sie konnte, schlich sie im Schatten des Stallgebäudes zur Koppel. Als sie das Gefühl hatte, weit genug von Asarié, Sonja und Darian entfernt zu sein, kletterte sie zwischen den weißen Holzplanken hindurch auf die Wiese. Sie würde Nachtfrost eine Chance geben. Wenn er an ihr vorbeikam, würde sie sich auf seinen Rücken schwingen. Das war nicht so schwierig, sie und Sonja hatten es mit Micky und Bjarni oft genug geübt. Wenn er aber in eine andere Richtung lief … nun ja. Dann ließ sie sich eben von dieser blöden Brückenwächterin nach Hause fahren. Zumindest kam sie dann endlich in ihr warmes Bett …
    Einen Moment lang ließ sie sich von ihrer Müdigkeit ablenken. Als sie wieder aufsah, saßen Sonja und Darian auf Nachtfrosts Rücken. Überall wallte plötzlich Nebel auf, als würde er von unten hochgeblasen. Und im nächsten Moment galoppierte das Wesen aus einer fremden Welt geradewegs auf Melanie zu.
    Sie erschrak, stolperte zwei Schritte zurück, aber dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen. Sie sprang nach vorne und packte eine Strähne der silbrigen Haarflut. »Nein!«, schrie sie. »Nehmt mich mit!«
    Eigentlich wollte sie ihren Schwung nutzen, um sich auf Nachtfrosts Rücken zu schwingen. Aber er wich mit einemSprung aus und warf den Kopf hoch. In plötzlichem Schrecken ließ Melanie seine Mähne los. Sie sah noch die weißen, entsetzten Gesichter von Sonja und Darian, und dann war alles um sie herum verschwunden, es gab nur noch Dunkelheit und den Nebel, der aus sich heraus zu leuchten schien. Und sie stürzte in einen bodenlosen Abgrund.
    Sie hörte sich schreien, während sie fiel, aber es klang seltsam leise und fern. Die scharfe Winterkälte der Nebelbrücke wich einem dumpfen, modrigen Geruch, der wärmer wirkte. Und noch bevor sie richtig begriff, was da mit ihr geschah, landete sie auf etwas Flachem, Weichem –

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