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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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bis sie etwas Hartes unter dem Stiefel spürte. War sie eigentlich völlig wahnsinnig gewesen, sich auf dieses Abenteuer einzulassen? Was würden ihre Eltern sagen, wenn sie nie wieder nach Hause kam? Mama würde bestimmt versuchen, Sonjas Eltern zu verklagen. Und Frau von Stetten. Und die gesamte restliche Bevölkerung der Stadt, und die Regierung sowieso. Und –
    Ihr Fuß rutschte ab.
    Blitzschnell verlagerte sie das Gewicht nach rechts und krallte sich fest. Dann hatte sie nur noch glatte Felsen vor dem Gesicht und wagte nicht, noch einmal nach unten zu schauen. »Darian!«
    »Ganz ruhig«, kam seine Stimme von unten. Der hatte gut reden! »Den Fuß etwa eine Handbreit nach unten. Da ist ein etwas größerer Vorsprung. Gut so. Jetzt die linke Hand loslassen und gerade nach unten schieben.«
    Loslassen? Sie konnte nicht loslassen. Ihr war schlecht vor Angst, sie fror, ihre Hände waren klatschnass, und ihre Beine zitterten unkontrolliert. Jetzt war es ihr restlos egal, ob er sie auslachte oder nicht. »Ich kann nicht!«
    »Ach was, natürlich kannst du das.« Er klang ganz zuversichtlich und seine Ruhe färbte ein wenig auf Melanie ab. Also gut. Langsam. Sie zwang ihre Finger, sich von dem Vorsprung zu lösen, und schob die Hand nach unten. Da war ein Loch mit nach innen gewölbtem Rand – geradezu perfekt. Sie krallte die Finger hinein und kroch weiter an der Felswand entlang nach unten. »Gut so!«, sagte Darian. »Jetzt etwas mehr nach rechts … Genau. Sehr gut.«
    So hatte sie ihm vorher auch geholfen, und es hatte geklappt. Melanie schaltete den Gedanken an ihre trauernden Eltern aus und konzentrierte sich nur auf ihre Hände und Füße und die seltsam beruhigende Stimme.
    Nach einer endlos langen Zeit sagte Darian unvermittelt: »Jetzt kannst du springen.«
    Ungläubig schaute Melanie erst nach unten. Tatsächlich, sie war schon fast über Darians Kopf! Von hier aus sah der Pilz wie ein dickes, weiches Kissen aus. Sie löste die schmerzenden Finger vom Fels und stieß sich ab.
    Gleich darauf landete sie auf der weichen, glatten Oberfläche und rollte sich ab. Darian fing sie an der Hand aufund stützte sie, während sie ihr Gleichgewicht wiederfand; dann ließ er sie los und lächelte ohne eine Spur von Spott. »Gut gemacht.«
    Melanie schaute an der Felswand empor nach oben und begriff, dass sie völlig wahnsinnig gewesen war, daran herunterzuklettern. Das war schlimmer gewesen als der Sprung vom Zehnmeterbrett – viel schlimmer. »Ich schwöre dir, so etwas mache ich nie wieder!«
    Darian runzelte die Stirn. »Schwöre nicht zu früh; du weißt nie, was noch kommt! Aber zumindest hier brauchst du nicht mehr zu klettern. Wir sind fast unten.«
    Sie schaute sich um. Dieser Felsvorsprung war breiter als der andere und endete nicht an einer schroffen Kante, sondern ging in einen Abhang voller Geröll über. Etwa dreißig Meter weiter, im roten Zwielicht kaum zu erkennen, wucherte ein ganzer Wald von Pilzen. Jeder einzelne graubraune Stamm war so dick wie der einer tausendjährigen Eiche, und die grauen Schirme waren so groß wie Hausdächer. Der rötliche Nebel war Staub, der aus den Lamellen rieselte und sich wie schwerelos ausbreitete, und selbst der Himmel war eintönig trüb und rot. Stille lag über diesem seltsamen dunklen Land. Nur ab und zu hörten sie ein tiefes Knarren, als wiegten sich die Pilze im Wind, und irgendwo in der Ferne war immer noch dieses Brausen.
    Aber es gab keinen Wind. Die Luft war still und dumpf und roch nach Pilzen. Unheimlich war es hier – unheimlich und fremdartig.
    »Na ja«, sagte Melanie, so munter sie konnte, »verhungern werden wir jedenfalls nicht. Pilze sind lecker.«
    »Oder giftig.« Darian zog den Dolch. »Komm.«
    »Willst du dir gleich ein Stück abschneiden, um es zu probieren?«
    »Nein.« Er setzte den Fuß auf den Abhang und rutschte gleich ein Stück. »Aber falls es da unten wilde Tiere oder Schlimmeres gibt, will ich vorbereitet sein.«
    Melanie erschrak. »Schlimmeres?«
    »Bleib einfach in meiner Nähe.« Er klang noch immer ruhig und zuversichtlich, aber dann fiel ihr Blick auf seine Hand mit dem Dolch. Die Hand zitterte merklich. Und erst jetzt erinnerte Melanie sich an das, was Darian früher einmal gesagt hatte – dass er beim Erwachen in ihrer Welt geglaubt hatte, er sei in den Abgrund seiner Welt gestürzt. Und dort gab es Dämonen.
    Was gab es im Abgrund unter der Nebelbrücke?
    Sie musste plötzlich hart schlucken. »Darian?«
    »Mhm?« Er

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