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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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schaute sie nicht an, sondern suchte sich seinen Weg den Abhang hinunter.
    »Es tut mir leid. Ich – hm – ich war wohl ziemlich blöd.«
    »Ja, warst du«, gab er knapp zurück.
    Das hatte sie nun eigentlich nicht hören wollen. Aber sie schluckte eine schnippische Antwort herunter und folgte ihm. Was blieb ihr auch anderes übrig?
    Die ersten Schritte den Abhang hinunter waren noch einfach, aber mit jedem weiteren kamen die Steinchen ins Rutschen, bis Melanie und Darian schließlich in einer Welle aus Geröll und Staub mehr springend als laufend bei den Pilzen landeten. Das Rauschen und Scharren der steinernen Flut musste kilometerweit zu hören sein. Als es endlich aufhörte, lauschten Melanie und Darian in den Pilzwald. Alles blieb still. Trotzdem flüsterte Melanie unwillkürlich. »Vielleicht ist hier niemand?«
    »So viel Glück haben wir bestimmt nicht«, gab Darian halblaut zurück und steckte den Dolch wieder in die Lederscheide an seinem Gürtel.
    Vorsichtig wagten sie sich in die Dunkelheit unter den Schirmen der Pilze. Falls es in dieser Welt eine Sonne gab, schien sie noch nie durch den Nebel bis zum Boden gedrungen zu sein. Es gab hier unten überhaupt keine Pflanzen, nur eine dicke, weich federnde Schicht aus abgestorbenen Pilzresten. Zwar war es einigermaßen warm, aber der muffige Geruch war fast unerträglich. Noch nie hatte Melanie sich so nach der klaren Winterluft ihrer eigenen Welt gesehnt. Und außerdem war sie jetzt schrecklich müde. Schließlich hatte sie die ganze Nacht nicht geschlafen. Ihre Hände schmerzten vom Klettern, ihre Füße vom Laufen, und der zerschnittene Stiefel schlappte unangenehm gegen ihr Bein.
    »Können wir nicht eine Pause machen?«, flüsterte sie endlich.
    Darian blieb stehen und schaute sich nach ihr um. »Ich würde lieber irgendeinen Unterschlupf suchen. Eine Höhle oder so etwas.«
    »Hier sind aber nur Pilze! Dann müssen wir zur Felswand zurückgehen!«
    »Es gibt auch Erdhöhlen.«
    Melanie vergaß, dass sie eigentlich nur flüstern wollte. »Was? Und dadrin wimmelt es dann von Spinnen und Würmern, na danke!«
    »Ich habe vor den größeren Bewohnern dieser Welt mehr Angst«, sagte Darian.
    »Vielleicht gibt es gar keine. Ich hab hier jedenfalls nichts gehört oder gesehen. Hier ist gar nichts! Ich bin müde, meine Füße tun weh, ich will mich ausruhen. Und zwar genau hier.« Melanie ließ sich dort, wo sie stand, auf den weichen Boden plumpsen und streckte die Beine aus.
    Darian stand unschlüssig neben ihr und schaute sich um.Plötzlich wurde er ganz starr. Selbst in dem rötlichen Licht konnte Melanie erkennen, dass ihm das Blut aus dem Gesicht wich. »Götter«, wisperte er.
    Erschrocken blickte Melanie sich um – und dann sah sie es auch. Etwas kam auf sie zu. Was es war, konnte sie nicht erkennen, denn es hatte keine feste Form. Es war eine Gestalt aus schwarzem Rauch und mindestens drei Meter hoch, obwohl es gebückt ging wie ein Affe. Seine Umrisse ähnelten vage denen eines Menschen, nur in die Länge gezerrt. Mit träge aussehenden Bewegungen tappte es zwischen den Pilzen hindurch. Dabei drehte es den formlosen schwarzen Stumpf, der ihm als Kopf diente, ständig hin und her, als ob es etwas suchte. Seine Augen sahen wie glimmende Kohlen aus.
    Und dann entdeckte es Darian und Melanie. Die Augen glühten plötzlich, als hätte jemand in die Glut geblasen.
    Das Wesen richtete sich auf und gab ein Brüllen von sich, bei dem die Pilze erzitterten. Dann ließ es sich auf alle viere nieder und kam erschreckend schnell näher.
    Melanie saß wie gelähmt auf dem Boden und starrte dem Monster entgegen. Bis Darian ihren Arm packte und sie auf die Füße riss. »Lauf!«, schrie er.
    Das musste er ihr nicht zweimal sagen. Selbst mit einem verstauchten Knöchel wäre sie in diesem Moment gerannt wie ein Hase. Nur weg von hier! Müdigkeit und Unlust waren vergessen; sie drehte sich um und rannte. »Was ist das?«, schrie sie.
    »Das kann ich dir sagen«, schrie Darian zurück, sprang über den Stamm eines umgestürzten Riesenpilzes und rannte weiter. »Es ist genau so ein Vieh wie das, was Nachtfrost und mich in Duntalye angegriffen hat!«
    »Was kann es denn tun?«
    »Willst du anhalten und es selber fragen? Lauf!«
    Melanie rannte. Kreuz und quer, über gestürzte Pilzstämme und an zerbrochenen Schirmen vorbei, zwischen Pilzen hindurch, weiter und weiter durch den Pilzwald, der nie zu enden schien. Das ferne Brausen wurde lauter – ein Wasserfall? –,

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