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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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Ärmel ihres Lederhemdes sofort grau färbten. Zitternd schob Sonja die Hände unter die Achseln, zog die Schultern hoch und schaute sich um. Durch den Schneenebel sah sie weitere Zelte, alle dunkelbraun, rund und bucklig wie Erdhügel unter einer Schicht Schnee. Dazwischen standen vier Menschen mit dicken, langen Umhängen und Speeren und ein paar Birjaks wie braune Berge mit weißen Rücken. Große schwarze Wölfe streiften durch das Lager; das waren die Tesca, ein Stamm von Gestaltwandlern. Sonja hatte nie gedacht, dass sie sich einmal freuen würde, ein Rudel »Werwölfe« zu sehen, aber die Tesca waren so ganz anders als die Monster aus den alten Horrorgeschichten und hatten sie sehr freundlich aufgenommen. Nachtfrost war nirgends zu sehen, vielleicht galoppierte er irgendwo weit entfernt über die Steppe: wild und frei.
    »Sonja! Hier herüber!« Von einem der Zelte winkte Elri zu ihr hin. »Bleib nicht in der Kälte stehen!«
    Rasch lief Sonja zu ihr hin. Elri hielt ihr die Klappe des Zeltes auf und sie schlüpfte hindurch. Elri folgte ihr.
    Hier drinnen war es schon deutlich wärmer und ein starker Geruch nach Menschen und Tieren verschlug ihr fast den Atem. Wuschen diese Leute sich nie? Mindestens zwanzig Nomaden saßen hier rings um das Feuer auf dicken Matten, und auf den ersten Blick sah Sonja sechs schwarze Wölfe, die zwischen den Leuten lagen und sich gemütlich streicheln ließen, als seien sie zahme Haustiere. Auch Lorin hockte in der Runde, allerdings hinter zwei erwachsenen Männern, sodass er fast an die Zeltwand zurückgedrängt wurde.
    Die Elarim trugen bestickte, pelzbesetzte Lederhemden und Lederhosen, fast alle hatten ihre langen, dunklen Haare offen oder am Hinterkopf zusammengebunden, sodass sie beinahe wie Indianer aussahen.
    »Willkommen, Yeriye Sonja.« Ganna, die alte Frau, die ihr bei ihrem ersten Besuch erklärt hatte, was sie mit dem Amulett tun musste, stand von ihrem Platz am Feuer auf. Sie kam zu Sonja, legte ihr den Arm um die Schultern und drehte sich zu den Leuten um. »Dies ist das Mädchen aus der anderen Welt, das der Taithar uns gebracht hat.«
    Sonja lächelte, aber insgeheim fühlte sie sich unbehaglich. Zwar sah niemand unfreundlich aus, aber das konnte sich alles noch ändern, wenn sie ihnen erzählte, was aus Darian und aus Velerias Plänen geworden war. Wo war eigentlich Veleria? Sie konnte die alte Tesca-Anführerin nirgends entdecken. Aber vielleicht war sie ja einer der Wölfe.
    »Setz dich zu uns, Sonja«, sagte Ganna und führte sie zu ihrer Matte. Sonja ging mit ihr, setzte sich hin und versuchte, sich unsichtbar zu machen. Hoffentlich erwartete niemand eine Rede oder so etwas von ihr!
    Aber tatsächlich unterhielten sich die Leute einfach mit ihren Nachbarn, ohne ihren Gast weiter zu beachten. Auch Elri setzte sich weit entfernt von Sonja neben ihren Bruder und sprach leise mit ihm. Nur Ganna wandte sich ihr zu und hielt ihr eine Holzschale mit einer dicken, dampfenden Suppe hin. »Du bist hungrig. Elri sagte etwas von einem Birjak-Vorderbein, aber vielleicht reicht das hier für den Anfang …«
    Sonja wurde rot und nahm die Schale rasch entgegen. »Danke!«
    Vorsichtig setzte sie die Schale an die Lippen. Die Suppe war sehr dick und schmeckte ähnlich wie der Eintopf beim Kleinen Volk. Fleisch und Kräuter waren darin, vielleicht auch eine Art Getreide, aber kein Salz. Vielleicht kannten die Leute hier gar kein Salz? Aber der Eintopf schmeckte trotzdem gut, und während sie schluckte, spürte sie, wie sich eine angenehme Wärme in ihrem Körper ausbreitete.
    Als sie fertig war, lächelte Ganna. »Gut. Dann können wir jetzt reden.«
    Sie hatte gar nicht laut gesprochen, doch alle anderen unterbrachen ihre Gespräche und schauten Sonja an; unwillkürlich zog sie den Kopf ein. Was kam denn jetzt? Ein Verhör?
    »Zuerst möchte ich dir sagen, dass wir alle uns freuen, dich wieder bei uns zu haben«, sagte Ganna. »Aber ich kann nicht leugnen, dass ich überrascht war, dich zu sehen. Wir hatten Darian erwartet. Hat er dich nicht begleitet?«
    »Doch«, antwortete Sonja nervös. »Zuerst schon. Aber als wir auf der Nebelbrücke waren, ist meine Freundin Melanie – also – nun ja, sie ist abgerutscht. Und Darian ist abgesprungen, um sie zu suchen. Er sagte, ich müsste weiterreiten, um das Amulett nach Chiarron zu bringen. Aber –«
    Sie brach ab. Niemand regte sich; alle schauten sie an.
    Aber die Stimmung im Zelt hatte sich plötzlich verändert und war nicht

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