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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das Gespräch ein, welches ich im Store belauscht hatte, und so fragte ich: »Seid ihr vielleicht in der Gegend des Shayansees bekannt?«
    »O sehr. Wir haben den letzten Winter dort verbracht. Diese Gegend gehört dem reichen Wittler. Er hat vor zwei Jahren dort eine Oelquelle entdeckt und schickt jetzt Hunderte von Fässern den Missouri hinab. Ich glaube gar, daß er jetzt einen Bohrer angelegt hat, um das Geschäft zu vergrößern.«
    »Kennen Sie seine Familie?«
    »Warum sollte ich nicht, Sir? Er hat Frau und drei Kinder, nämlich zwei Söhne und ein Töchterchen, und außerdem wohnt eine Schwester bei ihm, deren Mann irgendwo elend umgekommen sein muß. Er befand sich in Kalifornien und schrieb den Seinen, daß er mit einer tüchtigen Ladung Gold nach Hause kommen werde, ist aber nie angekommen. Er muß Kalifornien vor vier Jahren verlassen haben.«
    »Hieß er vielleicht John Helming?« fragte ich in höchster Spannung.
    »Versteht sich, Sir, John Helming hat er geheißen. Habt Ihr ihn etwa gekannt?«
    »Nein,« antwortete ich erregt, »aber gesehen habe ich ihn, gesehen als Leiche, ermordet und beraubt von diesem elenden roten Olbers – – –«
    »Mein Gott!« riefen die vier Männer. »Erzählt, erzählt, Sir!«
    »Nein, dazu ist keine Zeit jetzt; das können wir unterwegs thun. Nun ich klar sehe, müssen wir sofort aufbrechen. Dieser Olbers reitet jetzt nämlich mit seiner Bande nach dem Shayansee, um die Besitzung Wittlers zu überfallen und auszurauben, wie er bereits den Schwager beraubt und ermordet hat. Die Spitzbuben werden eure Fallen wohl noch bei sich führen, da sie hier in dieser Abgeschiedenheit großen Wert haben; ihr kommt also vielleicht wieder zu eurem Eigentume.«
    »Aber, Sir, gebt uns doch wenigstens eine Andeutung!«
    »Nun, ich befand mich vor vier Jahren zum zweitenmale in Amerika und stieg mit Winnetou da oben am Hellgate-Paß herum. Dort fanden wir eines Nachmittags die Leichen mehrerer Männer; sie waren noch warm, und die Mordthat war vor kaum einigen Minuten geschehen. Es waren fünf Tote, die gänzlich ausgeraubt worden waren. Nur bei dem einen fand ich ein altes Notizbuch, auf welchem der Name John Helming stand. Wir bedeckten die Leichen einstweilen, so gut es ging, und verfolgten dann die Spuren der Mörder. Es waren ihrer viele. Sie hatten den Toten die beladenen Maultiere abgenommen und kamen also nur langsam vorwärts. Als wir sie einholten, zählte ich vierzehn Mann, aber doch machten wir uns über sie her. Sie waren uns überlegen, und ich war fast noch ein Neuling hier im Westen; kurz und gut, wir zogen den kürzeren. Sie verloren einige Männer, und der Anführer verlor einen Teil seiner Gesichtshaut. Er hatte bei einem Streiche Winnetous den Kopf noch zur rechten Zeit zur Seite gebogen, und darum wurde ihm nicht der Kopf gespalten, sondern die Schneide des Beiles glitt ihm längs der Wange herab und zeichnete ihn so für alle Zeit. Wir begruben die Toten, und das Notizbuch nahm ich zu mir. Ein Regen verwischte die Spuren der Mörder. Ich habe die Sache mit dem Notizbuche öfters annonciert, aber niemand hat sich gemeldet. Jetzt trage ich es hier im Gürtel. Als ich mich drüben aufmachte, um die Savanne abermals zu sehen, steckte ich es zu mir. Man kann nie wissen, was man erlebt und erfährt.«
    Ich erzählte nun in Kürze weiter von meinem Aufenthalte in Fort Cast, und als ich geendet hatte, rief Brandes:
    »Sir, das ist ganz außerordentlich! Ihr müßt sofort nach dem Shayansee und wir mit Euch!«
    »Ja, auch ihr, doch nicht mit mir. Ich bin beritten, ihr aber müßt laufen. Ihr könnt direkt über die Berge, ich aber muß nach dem Tonque, um Winnetou zu treffen. Wir trennen uns hier, werden aber wohl zu gleicher Zeit am See eintreffen. Uebrigens dürft ihr nicht vergessen, daß das ›tötende Feuer‹ mit seinen Tetongs hinter den Dieben her ist; sie können also weder ihren Raub ausführen noch uns entkommen. Ich bleibe keine Viertelstunde länger und breche sofort auf.«
    »Wir auch, wir auch, Sir. Aber was sollen wir dem Oelprinzen sagen, wenn wir eher kommen als Ihr?«
    »Sagt ihm, daß er sich schleunigst gegen den Ueberfall dieses Olbers rüsten soll. Ueber seinen Schwager wird er das weitere erfahren, sobald ich bei ihm bin!«
    Es ist nur unter ganz dringenden Umständen geraten, zu Pferde bei Nacht durch eine unbekannte Waldwildnis zu dringen, doch Uebung und Ortssinn lassen vieles überwinden. Als der Morgen anbrach, befand ich mich bereits am Fuße

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