Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
Kriegsbeil der Indianer, welches in der Hand eines geübten Kriegers eine weit gefährlichere Waffe ist, als man gewöhnlich annimmt. Als das Feuer geregelt war, erhielten wir die Weisung, abzusteigen. Man führte unsere Pferde fort, und nun befanden wir uns in der Gewalt der Rothen, denn ohne Pferde war in dieser Gegend nichts zu machen. Zwar hatte man uns die Waffen nicht abverlangt, aber fünf gegen hundert ist kein sehr erquickliches Verhältniß.
Wir durften zum Feuer treten, an welchem ein einzelner Krieger saß. Man konnte ihm nicht ansehen, ob er jung oder alt war, denn auch sein Gesicht war über und über gefärbt und zwar ganz in denselben Farben und derselben Weise wie dasjenige des Kundschafters. Sein Haar hatte er in einen hohen Schopf geflochten, in welchem die Feder des weißen Kriegsadlers steckte. An seinem Gürtel hingen zwei Scalpe, und an einer um seinen Hals gehenden Schnur war der Medizinbeutel und das Calummet, die Friedenspfeife, befestigt. Quer über seinen Knieen lag die Flinte, ein altes Ding von Anno Zwanzig oder Dreißig. Er blickte uns nach einander aufmerksam an. Den Schwarzen schien er nicht zu sehen, denn der rothe Mann verachtet den Neger. Das waren unerquickliche Augenblicke, denn wenn wir ihm nicht gefielen, so war es um uns geschehen. Wenigstens dachte ich so und äußerte meine Meinung unserem alten Freunde.
»Unsinn!« sagte Old Death in deutscher Sprache, um von dem Rothen nicht verstanden zu werden. »Wir wollen ihm zeigen, daß auch wir Häuptlinge sind. Setzt Euch also auch und laßt mich reden!«
Er setzte sich dem Häuptlinge gegenüber, und wir thaten dasselbe. Nur Sam blieb stehen, denn er wußte, daß er als Schwarzer sein Leben wage, wenn er den Vorzug der Häuptlinge, am Feuer zu sitzen, auch für sich in Anspruch nehme.
»Uff!« rief der Indianer zornig, und stieß noch mehrere Worte hervor, welche ich indessen nicht verstand.
»Verstehst Du die Sprache der Bleichgesichter?« fragte Old Death.
»Avet-vila versteht sie; aber er spricht sie nicht, weil es ihm nicht beliebt,« antwortete der Häuptling, wie Old Death uns augenblicklich übersetzte.
»Ich bitte Dich aber, sie jetzt zu sprechen!«
»Warum?«
»Weil meine Gefährten die Sprache der Comanchen nicht verstehen und doch auch wissen müssen, was gesprochen wird.«
»Sie befinden sich bei den Comanchen und haben sich der Sprache derselben zu bedienen. Das fordert die Höflichkeit.«
»Du irrst. Sie können sich keiner Sprache bedienen, welche sie nicht kennen. Das siehst Du wohl ein. Und sie befinden sich hier als Gäste der Comanchen. Also haben sie die Höflichkeit zu fordern, welche Du von ihnen verlangst. Du kannst englisch sprechen. Wenn Du es nicht redest, so glauben sie nicht, daß Du es kannst.«
»Uff!« rief er. Und dann fuhr er in gebrochenem Englisch fort: »Ich habe gesagt, daß ich es kann, und ich lüge nicht. Wenn sie es nicht glauben, so beleidigen sie mich, und ich lasse sie tödten! Warum habt Ihr es gewagt, Euch zu mir zu setzen?«
»Weil wir als Häuptlinge das Recht dazu haben.«
»Wessen Häuptling bist Du?«
»Der Häuptling der Scouts.«
»Und dieser?« Dabei deutete er auf Lange.
»Der Häuptling der Schmiede, welche Waffen verfertigen.«
»Und dieser?« Er meinte Will.
»Dieser ist sein Sohn und macht Schwerter, mit denen man die Köpfe spaltet, auch Tomahawks.«
Das schien zu imponiren, denn der Rothe sagte:
»Wenn er das kann, so ist er ein sehr geschickter Häuptling. Und dieser da?« Er nickte gegen mich hin.
»Dieser berühmte Mann ist aus einem fernen Lande weit über das Meer herüber gekommen, um die Krieger der Comanchen kennen zu lernen. Er ist ein Häuptling der Weisheit und Kenntniß aller Dinge und wird nach seiner Rückkehr Tausenden erzählen, was für Männer die Comanchen sind.«
Das schien über das Begriffsvermögen des Rothen zu gehen. Er betrachtete mich sehr sorgsam und sagte dann:
»So gehört er unter die klugen und erfahrenen Männer? Aber sein Haar ist nicht weiß.«
»In jenem Lande werden die Söhne gleich so klug geboren wie hier die Alten.«
»So muß der große Geist dieses Land sehr lieb haben. Aber die Söhne der Comanchen bedürfen seiner Weisheit nicht, denn sie sind selbst klug genug, um zu wissen, was zu ihrem Glücke erforderlich ist. Die Weisheit scheint nicht mit ihm in dieses Land gekommen zu sein, weil er es wagt, unsern Kriegspfad zu kreuzen. Wenn die Krieger der Comanchen den Tomahawk ausgegraben haben, dulden sie
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