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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Nebenabtheilung des Zeltes.
    Ich sah – – Gibson mit William Ohlert eintreten. Sie wurden höflich bewillkommnet und zum Sitzen eingeladen, was sie auch thaten. Gibson nannte sich Gavilano und gab sich für einen Geographen aus; welcher mit seinem Collegen diese Berge besuchen wolle. Er habe sein Lager in der Nähe aufgeschlagen und da sei ein gewisser Harton, ein Gambusino zu ihm gekommen. Von diesem habe er erfahren, daß sich hier eine ordentliche Wohnung befinde. Sein College sei krank, und so habe er sich von Harton herführen lassen, um Sennor Uhlmann zu bitten, den Collegen für diese Nacht bei sich aufzunehmen.
    Ob dies klug oder albern ausgedacht sei, das zu beurtheilen, nahm ich mir nicht die Zeit. Ich trat aus meinem Verstecke hervor. Bei meinem Anblicke fuhr Gibson empor. Er starrte mich mit dem Ausdrucke des größten Entsetzens an.
    »Sind die Tschimarra auch krank, welche hinter Euch kommen, Master Gibson?« fragte ich ihn. »William Ohlert wird nicht nur hier bleiben, sondern mit mir gehen. Und Euch nehme ich auch mit.«
    Ohlert saß wie gewöhnlich ganz theilnahmlos da. Gibson aber faßte sich schnell.
    »Schurke!« schrie er mich an. »Verfolgst Du ehrliche Leute auch hierher! Ich will – – –«
    »Schweig’, Mensch!« unterbrach ich ihn. »Du bist mein Gefangener!«
    »Noch nicht!« entgegnete er wüthend. »Nimm zunächst das!«
    Er hatte sein Gewehr in der Hand und holte zum Kolbenhiebe aus. Ich fiel ihm in den Arm. Er erhielt dadurch eine halbe Wendung; der Kolben sauste nieder und traf den Kopf Ohlert’s, welch letzterer sofort zusammenbrach. Im nächsten Augenblicke drängten sich einige Arbeiter von hinten in das Zelt herein. Sie richteten ihre Gewehre auf Gibson, den ich noch gefaßt hielt.
    »Nicht schießen!« rief ich, da ich ihn ja lebendig haben wollte. Aber es war zu spät. Ein Krach, und er stürzte aus meinen Armen, durch den Kopf geschossen, todt zu Boden.
    »Nichts für ungut, Herr! So ist es hier zu Lande Sitte!« sagte derjenige, welcher geschossen hatte.
    Als ob der Schuß ein Signal gewesen sei, was vielleicht auch zwischen Gibson und seinen Complicen verabredet worden war, erhob sich unweit der Hütte ein indianisches Kriegsgeheul. So weit waren die Tschimarra mit den verbündeten Weißen bereits vorgedrungen.
    Uhlmann stürzte hinaus; die Andern hinter ihm her. Ich hörte seine Stimme erschallen. Schüsse fielen, Menschen schrieen und fluchten. Ich war mit Ohlert allein im Zelte. Ich kniete bei ihm, um zu sehen, ob er todt sei. Sein Puls ging noch. Das beruhigte mich. Nun konnte ich am Kampfe Theil nehmen.
    Als ich hinauskam, bemerkte ich, daß dies gar nicht nöthig sei. Das Thal war von dem im Bache brennenden Petroleum fast tageshell erleuchtet. Die Feinde waren ganz anders empfangen worden, als sie gedacht hatten. Die Meisten von ihnen lagen am Boden; die Andern flohen, verfolgt von den Siegern, dem Ausgange zu. Hier oder da rang ein einzelner der Angreifer gegen zwei oder drei von Uhlmann’s Leuten, aber freilich ohne Hoffnung auf Erfolg.
    Dieser letztere stand neben dem Zelte und schickte eine Kugel nach der andern dahin, wo er ein Ziel sah. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß es rathsam sei, einen Trupp seiner Leute mit Harton als Führer mittelst des geheimen Aufstieges zu den Pferden der Feinde zu senden, um sich derselben zu bemächtigen. Dort konnte man auch diejenigen empfangen, denen es gelingen sollte, durch den Ausgang aus dem Thale zu entkommen. Er pflichtete diesem Rathe bei und befolgte denselben auf der Stelle.
    Kaum drei Minuten waren seit dem ersten Schusse gefallen, und schon war der Platz gesäubert.
    Gern gehe ich über das nun Folgende hinweg. Bilder, bei deren Anblick sich das Menschenherz empört, soll man weder mit dem Pinsel, noch mit der Feder malen. Das wahre Christenthum untersagt es selbst dem Sieger, sich an seinem Triumphe zu ergötzen.
    Dem abgesandten Trupp war es leicht gelungen, sich der Pferde zu bemächtigen. Diese Leute blieben während der Nacht bei denselben. Nur Harton kehrte zurück. Er hatte keine Ahnung, wer unsererseits der einzige Todte des heutigen Abends sei, der noch dazu in Folge eines Mißverständnisses von der Kugel eines Freundes getödtet worden war. Ich ging mit ihm hinaus in das Thal, wo einige indessen angezündete Feuer brannten, schritt mit ihm nach einer dunkeln Stelle, wo wir uns niedersetzten und theilte ihm mit, was er erfahren mußte.
    Er weinte wie ein Kind, seinen Bruder stets geliebt, und war

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