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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nur in der Hoffnung der Ausübung dieses Berufes da oder dort einmal zu treffen. Ich mußte ihm Alles erzählen, von meinem ersten Zusammentreffen mit dem Scout bis zu dem letzten Augenblicke, an welchem den Reuigen die irrende Kugel traf. Jedes Wort wollte er wissen, was zwischen ihm und mir gewechselt worden war, und als wir dann nach mehr als einer Stunde zum Zelte gingen, um den Todten zu sehen, bat er mich, ihn so in sein Herz zu schließen, wie ich es mit seinem armen Bruder gethan hatte.
    Am Morgen wurde Old Death’s Sattel herbei geholt. Unter vier Augen schnitten wir das Futter los. Wir fanden eine Brieftasche. Sie war dünn, aber trotzdem sehr reichen Inhaltes. Der Todte hinterließ seinem Bruder Bankanweisungen zu sehr bedeutender Höhe und, was die Hauptsache war, die genaue Beschreibung und den minutiös gezeichneten Situationsplan einer Stelle in der Sonora, an welcher Old Death eine vielverheißende Bonanza entdeckt hatte. Von diesem Augenblicke an war Fred Harton ein steinreicher Mann.
    Welche Pläne Gibson eigentlich mit William Ohlert verfolgt hatte, das war nun nicht zu erfahren. Selbst seine Schwester Felisa Perillo, zu welcher sein Weg doch wahrscheinlich hatte führen sollen, wäre nicht im Stande gewesen, einen Aufschluß zu ertheilen. Ich fand bei ihm all die in Banknoten erhobenen Summen, natürlich abzüglich dessen, was er für die Reise ausgegeben hatte.
    Ohlert lebte zwar, aber er wollte nicht aus seiner Betäubung erwachen. Es stand zu erwarten, daß ich aus diesem Grunde hier einen längern Aufenthalt zu nehmen gezwungen sein werde. Das war mir eigentlich gar nicht unlieb. Ich konnte mich von den Strapazen erholen und das Leben und Treiben einer Bonanza gründlich kennen lernen, bis der Zustand Ohlert’s es erlaubte, ihn nach Chihuahua in die Pflege eines tüchtigen Arztes zu geben.
    Old Death wurde begraben. Wir errichteten ihm ein Grabmal mit einem Kreuze aus silberhaltigem Erze. Sein Bruder trat aus dem Dienste Uhlmann’s, um sich zunächst nach den Anstrengungen seines Gambusinolebens in Chihuahua einige Zeit zu pflegen.
    Groß war das Glück, welches Uhlmann und dessen Frau über die Ankunft ihrer beiden Verwandten empfanden. Sie waren liebe, gastfreundliche Leute, denen dieses Glück zu gönnen war. Als Fred Harton sich von ihnen und mir verabschiedete, bat er mich, ihn zur Aufsuchung der Bonanza in die Sonora zu begleiten. Ich konnte keine entscheidende Antwort geben. Es versteht sich ganz von selbst, daß die Apachen reich beschenkt entlassen worden waren. Sie hatten außerdem an unsern vielen Grüßen an Winnetou schwer zu tragen.
    Der Neger Sam reiste mit Harton ab. Er hat seinen Auftrag jedenfalls glücklich ausgeführt. Ob er wieder zu Sennor Cortesio zurückgekehrt ist, weiß ich nicht.
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    Und zwei Monate später saß ich bei dem guten Religioso 11 Benito von der Congregation El buono Pastor in Chihuahua. Ihm, dem berühmtesten Arzte der nördlichen Provinzen, hatte ich meinen Patienten gebracht, und es war ihm gelungen, denselben vollständig herzustellen. Ich sage vollständig, denn wunderbarer Weise hatte sich mit der leiblichen Heilung auch das geistige Normalbefinden eingestellt. Es war, als sei mit dem Kolbenhiebe die unglückselige Monomanie, ein wahnsinniger Dichter zu sein, erschlagen worden. Er war munter und wohlauf, sogar zuweilen lustig, und sehnte sich nach seinem Vater. Ich hatte ihm noch nicht gesagt, daß ich denselben erwarte. Es war natürlich ein Bericht von mir abgegangen, und darauf hatte ich die Nachricht erhalten, daß er selbst kommen werde, um seinen Sohn abzuholen. Nebenbei hatte ich ihn gebeten, mir bei Master Josy Tailor meine Entlassung zu erwirken. Es war mir doch die Lust gekommen und von Tag zu Tag gewachsen, mit Harton in die Sonora zu gehen.
    Dieser letztere kam täglich, um uns beide und den lieben Pater zu besuchen. Er hatte eine wahrhaft rührende Freundschaft zu mir gefaßt und freute sich ganz besonders auch über die Gesundung unsers Patienten.
    In Beziehung hierauf mußte man allerdings gestehen, daß ein wahres Wunder geschehen sei. Ohlert wollte das Wort »Dichter« nicht mehr hören. Er konnte sich an jede Stunde seines Lebens erinnern; die Zeit aber von seiner Flucht mit Gibson bis zu seinem endlichen Erwachen in der Bonanza bildete ein vollständig leeres Blatt in seiner Erinnerung.
    Also heute saßen wir auch

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