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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kam ich an den außerordentlich fischreichen, wunderbaren Yellowstonesee, den ich ganz genau kannte. Bei meiner letzten Anwesenheit hatte ich mir, um zu fischen, ein Rindenkanoe gebaut und dasselbe, als ich die Gegend verließ, gut versteckt. Jetzt fand ich es unversehrt wieder und nahm es sofort in Gebrauch. Ich ruderte mich einige hundert Yards vom Ufer fort und warf dort die Angeln aus. Eben als ich das that, stieg links von mir eine ungeheure Masse heißen Wassers auf, wohl fünf Minuten lang und zwanzig Yards hoch; dann sank die Riesenfontäne in sich zusammen, und die Stelle war glatt wie vorher. Das war der Quarter-Hour-Geyser.«
    »Ihr müßt nämlich wissen, daß die Geyser des Nationalparkes sich nicht nur am Lande befinden, sondern auch unter dem See thätig sind und in meist ganz genauen Zeitintervallen ihre kochenden Fluten weit über die Oberfläche des Sees emportreiben. Wer den letzteren per Kanoe befährt, muß diese Stellen und Intervalle kennen, sonst kann es leicht geschehen, daß er mit emporgeschleudert und dann als verbrühte Leiche mit in die Tiefe gerissen wird. Ich hatte das genau studirt; ich kannte auch den Quarter-Hour-Geyser und wußte, daß seine Stöße in Zwischenräumen von genau fünfzehn Minuten erfolgten.«
    »Ich glaubte in der weiten Gegend allein zu sein. Denkt euch nun mein Erstaunen, als ich plötzlich ein Kanoe erblickte, welches vom jenseitigen Ufer herüberkam und auf die Geyserstelle zuhielt! Außer dem Ruderer saßen zwei Männer und eine Lady in demselben. Sie gehörten zu einer drüben lagernden Touristengesellschaft, hatten den Geyser speien sehen und kamen herbei, um den nächsten Ausbruch aus der Nähe zu betrachten, aber sie kannten den Punkt nicht genau, blieben grad über dem unterseeischen Krater halten und waren, wenn sie dort blieben, unbedingt verloren.«
    »Natürlich griff ich sofort zu den Rudern, um sie zu warnen. Da es mir aber nicht einfallen konnte, mich selbst mit in die Gefahr zu begeben, so hielt ich außerhalb des Geyserkreises an und rief ihnen meine Warnung zu. Ich bekam zur Antwort, daß ich sie nicht belästigen, sondern mich davontrollen möge. Sie waren vornehme Leute, während ich ein ziemlich verwildertes Aussehen zeigte. In drei Minuten mußte der Geyser repetiren; es war also keine Zeit zu verlieren. Als ich meinen Zuruf wiederholte, wurde ich ausgelacht; also mußte ich, um sie zu retten, Zwang anwenden. Ich legte darum mein Gewehr auf den lautesten Lacher an und drohte, ihn zu erschießen, wenn das Kanoe nicht gewendet werde – vergeblich. Da zielte ich sorgfältig, um ihm einen Streifschuß in den Arm zu geben, und drückte ab. Die Kugel traf; die Insassen des Bootes schrieen wütend auf, aber der Ruderer legte sich schnell in die Riemen, um aus dem Bereiche meiner Büchse zu kommen. Einige Sekunden später stieg zwischen mir und ihnen die kochende Wassermasse in die Höhe, die ganze Umgebung in heißen Brodem hüllend – die Leute waren gerettet. Als der Ausbruch vorüber war, sah ich sie zurückrudern. Ich folgte ihnen, um sie vor Aehnlichem zu warnen und mich ihnen als kundigen Führer anzubieten.«
    »Aber wie wurde ich von der Gesellschaft, welche aus über dreißig Personen bestand, empfangen! Keiner sah ein, daß ich nur durch die wirkliche Verwundung des einen ihn und die anderen hatte retten können. Sie hatten ein Detachement Dragoner aus Old Fort als Schutzwächter mit, und diese Soldaten wollten kurzen Prozeß mit mir machen und mich einfach erschießen. Schon machte ich mich auf das Aeußerste gefaßt, da nahm sich die Lady meiner an. Sie allein glaubte meiner Versicherung, reichte mir dankend die Hand und brachte es so weit, daß ich mich entfernen durfte.«
    »Was soll ich sagen! Ich will nicht viele Worte machen, aber von diesem Augenblick an mußte ich fort und fort an die guten, dankbaren Augen denken, mit denen sie mich verwilderten Kerl angestrahlt hatte. Ich näherte mich am nächsten Tage dem Lagerplatze; er war verlassen. Die Fährte der Gesellschaft führte nach Südosten, ungefähr in der Richtung auf den Owl-Creek zu. Dort wußte ich die Schlangenindianer, welche gerade jetzt das Kriegsbeil ausgegraben hatten. Es war bekannt, daß ihr Häuptling Avaht-uitsch, das ›große Messer‹, geschworen hatte, nicht eher zu ruhen, als bis er hundert Skalpe der Bleichgesichter erobert und zehn weiße Frauen für seinen Wigwam gefangen habe. Sollte die Lady mit den unvergeßlichen Augen etwa auch in seine Hände

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