Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
werden; immerhin muß man dabei in Betracht ziehen, daß im südwestlichen Texas Fleisch eben Fleisch ist. Man tötet dort das Wild weniger des Jagdvergnügens als des Eßbedürfnisses wegen. Im fernen Westen, wo die Truthühner sich am liebsten an strombegrenzten Waldungen aufhalten, tragen sie ein geflecktes Federkleid. Während des Tages läßt der Jäger sie in Ruhe, in hellen Mondnächten jedoch schießt er sie zu Dutzenden herab von den schneebedeckten Zweigen der Bäume. Die Tiere scheinen sich der Gefahr meist nicht bewußt zu sein, und da sie reihenweise bei einander sitzen, so tötet ein Schuß oft deren zwei bis drei; dann erst erwacht die ganze Herde und fliegt auf und davon. Das reichliche Futter, welches der Truthahn in Texas findet, macht ihn zum schmackhaftesten aller eßbaren Vertreter des dortigen Vogelgeschlechts.
Die Rache des Mormonen
Erzählung von D. Jam
Der Rio San Carlos in Arizona hat zwei Quellarme, von denen der eine auf der Sierra Blanca, der andere im Magollongebirge entspringt. Steigt man an dem letztern aufwärts, so gelangt man nach und nach aus tiefen Cannons, auf deren Scheitelhöhen kein Baum, kein Strauch, kein Grashalm zu sehen ist, auf die Montanna de la Fuente und zuletzt an die Stelle, wo das Wasser aus dem Felsen sickert. Dort ragen drei einzeln stehende Macollafichten in die Höhe. Hinter denselben fällt die Höhe, deren Kante früher mit Bäumen derselben Art bewachsen war, fast lotrecht in einen schmalen, aber um so tiefern Cannon hinab, welcher früher einen andern Namen hatte, jetzt aber der Cannon de los Cotchisos heißt.
Schreitet man auf den Steinen, welche aus dem Wasser ragen, bis an den Rand des Cannons vor, so bietet sich jenseits desselben dem Auge ein Anblick, welcher vermuten läßt, daß dort die Stätte einer gräßlichen Katastrophe zu suchen sei. Man blickt auf ein viereckiges Plateau, welches vorn durch den erwähnten Cannon und rechts und links durch ähnliche, senkrecht eingeschnittene Seitenschluchten vollständig abgeschnitten ist. Hinten, auf der vierten Seite, ragt eine riesige, absolut unersteigbare Felsenmauer, von welcher mehrere schmale, klare Wasserfäden rinnen, wie bis zum Himmel empor. Sie wird jetzt in der Sprache der Apachen Selkhi-tse und von den spanisch sprechenden Einwohnern von Arizona Penna del Asesinato genannt. Beides hat dieselbe Bedeutung, nämlich Mordfelsen.
Dieses kleine, viereckige Hochplateau ist also so vollkommen von der übrigen Welt abgeschnitten, daß man meinen sollte, es hätte nie ein lebendes Wesen dorthin gelangen oder gar da wohnen können, und doch erblickt man Spuren, welche beweisen, daß vor noch nicht langer Zeit Menschen, und zwar nicht wenige, dort ihren Aufenthalt gehabt haben. Man sieht, daß, genährt durch die erwähnten Wasserfäden, da drüben ein Wald gestanden hat, welcher abgebrannt ist. Die verkohlten Baumstümpfe beweisen es. Zwischen ihnen liegen die geschwärzten Trümmer leichter Adobeshütten und die Ueberreste halb verbrannter Tier-und Menschenknochen.
Was ist hier geschehen? Durch welches Ereignis ist dieser einst so belebte Ort in eine Stätte des Todes verwandelt worden?
Vor noch nicht gar langer Zeit standen zwei Männer in der Nähe der erwähnten drei Macollafichten und blickten über den Cannon hinüber nach dem Walde, unter dessen sonnendürren Wipfeln sich das rege Leben eines indianischen Ko-uah-clar (Hüttendorfes) entfaltete.
Sie waren noch jung, aber ihre Gesichter hatten einen strengen, frömmelnden Ausdruck, zu welchem auch die enganliegenden und sehr langschoßigen schwarzen Röcke paßten, welche sie trugen.
»Also,« sagte der eine von ihnen, »Du glaubst wirklich, Bruder Jeremias, daß Brigham Young mir diese Indianerin als Frau ansiegeln würde?«
»Ganz gewiß!« nickte der andere. »Wir sind ausgesandt, diese roten Heiden zu bekehren, da sie das gleiche Recht wie wir haben, Heilige der letzten Tage zu sein. Diese Gleichheit des Rechtes sichert Dir die Einwilligung des Präsidenten.«
»Intah-tikila (Schwarzauge) ist eine große Schönheit und brauchte sich vor den achtundfünfzig Frauen unserer zwölf Apostel nicht zu verstecken. Aber ihr Vater, der Häuptling, will sie nur einem tapfern Apachenkrieger geben.«
»Hast Du schon mit ihm gesprochen? So! Zwinge ihn, so wird er Dich bitten, sie zu nehmen.«
»Zwingen? Auf welche Weise?«
»Küsse sie! Eine Indianerin muß die Frau dessen werden, der sie öffentlich küßt. Nur dadurch kann ihre verletzte Ehre
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