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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wie darfst Du es wagen, die reine Tochter der Apachen zu beschmutzen?! Fahre zu Boden und bettle um Gnade!«
    Dabei schlug er ihm die Faust in das Gesicht, daß der Uebelthäter niederstürzte.
    Bruder Gideon raffte sich jedoch augenblicklich auf; die Wut ließ ihn nicht überlegen, was er that; er drang auf den Häuptling ein und gab ihm den Hieb zurück.
    Die Wirkung dieses Schlages war eine unerwartete. Pesch-itschi stand unbeweglich; sein Auge maß den Verwegenen mit einem vernichtenden Blicke; dann stieß er einen schrillen Ruf aus, welcher durch das ganze Dorf erklang.
    Im Nu eilten von allen Seiten die Krieger herbei. Ein Wort des Häuptlings genügte; die Mormonen wurden niedergerissen, gebunden, geknebelt und dann in das Innere der Hütte geworfen. Die Knebel verhinderten sie, mit einander zu sprechen.
    Zwei lange, lange Stunden vergingen; dann wurden die beiden hinaus und in den Kreis der Krieger geschafft, welche ernst und still um Eisenherz saßen.
    Der Häuptling wendete sich verächtlich von Bruder Gideon ab und sagte zu Jeremias: »Ein Schlag ist eine todeswürdige Beleidigung und kann nur mit dem Blute des Thäters abgewaschen werden. Die Krieger der Apachen haben Rat gehalten und beschlossen, daß der Mormone sterben soll. Auch Dich wollten sie töten, aber ich habe für Dich gesprochen, Du sollst Zeuge der Strafe sein und dann zu Deinen Heiligen zurückkehren dürfen.«
    Die Weißen konnten sich weder mit Worten noch durch Thaten wehren. Gideon wurde an einen Baum gebunden und, ohne erst gemartert zu werden, erschossen.
    Der Häuptling trat zur Leiche, netzte seine Hand mit dem hervorquellenden Blut und strich sich dasselbe ins Gesicht. Damit war seine verletzte Ehre wieder hergestellt.
    Jeremias erhielt die Taschen mit Lebensmitteln gefüllt, dann trug man ihn fort über die Brücke, nahm ihm den Knebel und die Fesseln ab und ließ ihn laufen.
    Er entfernte sich, ohne ein Wort zu sagen oder auch nur zurückzublicken, watete durch das Wasser der Quelle und folgte dem Laufe desselben bis in den zweiten Cannon hinab.
    Erst da blieb er stehen, ballte die Fäuste und rief knirschend: »Rache, ja Rache! Das Blut dieses Heiligen komme über euch! Ihr habt ihm den Leib genommen, ich werde seiner Seele alle die eurigen nachsenden, daß sie ihr dienen und vor ihr kriechen sollen in alle Ewigkeit!«
    Er befühlte seine Taschen und bemerkte zu seiner Genugthuung, daß man ihm das Messer, welches unter dem Rocke steckte, nicht genommen hatte. Dann versteckte er sich, um von etwaigen Nachforschern nicht bemerkt zu werden, in eine schmale Felsenritze.
    Diese verließ er erst, als es dunkel zu werden begann, und kehrte nach dem Quellwasser der Montanna de la Fuente zurück. Er schlich an den drei Macollafichten vorüber, bis er den Posten an der Brücke stehen sah, und kroch hinter einen Stein, der ihn vollständig verbarg.
    Hier wollte er warten, bis die Apachen schliefen, dann wollte er den Posten beschleichen und niederstechen, da es ihm nur hiedurch möglich wurde, auf das Plateau zu gelangen.
    Drüben brannten die Feuer vor den Hütten und beleuchteten das Terrain bis an den Cannon und die Brücke. Dabei konnte der Mormone bemerken, daß jetzt der Posten wieder abgelöst wurde. Die Stelle wurde von dem jungen Krieger besetzt, welcher Schwarzauge für heut abend zu sich bestellt hatte.
     

    Die Flammen bildeten jetzt eine einzige wogende Masse.
     
    Die Zeit verging; ein Feuer verlöschte nach dem andern und das Geräusch des Lebens verstummte mehr und mehr. Endlich erstarb auch der letzte Flammenschein und tiefes Dunkel lag nun rund umher.
    Die Zeit war da. Jeremias kroch hinter dem Steine hervor und nach dem Cannon. Geräuschlos wie eine Schlange glitt er am Rande desselben hin und nach der Brücke. Sie war höchstens zwanzig Schritte lang.
    Eben hatte er sie erreicht, als er ein Flüstern vernahm, welches von drüben herüber immer näher kam. Es befanden sich also Leute auf der Brücke, über dem gähnenden Abgrund in stockdunkler Nacht. Er wich zur Seite und wartete.
    Intah-tikila hatte sich bei dem Geliebten eingestellt.
    Da sie drüben doch immerhin von jemand überrascht werden konnte und dies den guten Ruf der Häuptlingstochter vernichtet hätte, so pflegten sie, wenn der Geliebte auf Posten stand, über die Brücke zu gehen und dann durch den Quelleneinschnitt bis jenseits desselben, wo es hinter den Felsen ein lauschiges Plätzchen gab, von welchem aus man zwar nicht nach dem Dorfe blicken, dafür

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