Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
bald weg. Ich unterhielt mich mit meinen Toba-Indianern oft und gern über Religion; dann lag auf seinem sonnverbrannten Gesichte stets der Ausdruck eines Spottes, eines Hohnes, der sich meist in dem Ausrufe Luft machte:
»
Chito
– schweigen Sie! Es giebt keinen Gott; warum reden Sie davon!«
Ich gab ihm natürlich hierauf die erforderliche ernste Antwort; er aber wendete sich von mir ab und ließ sie an sich vorübergehen, ohne daß sie die von mir beabsichtigte Wirkung hervorbrachte.
Er war mir auch in Beziehung auf seinen Stand ein Rätsel. Ich hatte aus verschiedenen seiner Aeußerungen bemerkt, daß er mehr Bildung besaß als diejenigen Weißen, welche sich zu irgend einem Zwecke bei den Indianern des Urwaldes herumtreiben. Auch seine Kleidung paßte ganz und gar nicht in die Gegend, in welcher wir uns befanden. Er trug Reithosen von Jaguarfell und an den mit Alpargatas leichtbeschuhten Füßen pfundschwere, großräderige Sporen, welche hier im Urwalde nicht nur überflüssig sondern sogar hinderlich waren. Diese Hose und die blaue, dünnstoffene Jacke wurde von einer Hüftschnur zusammengehalten, an welcher ein langes Messer in lederner Scheide hing. Außerdem hatte er einen festen, breiten Ledergurt, in welchem zwei Pistolen steckten und der zwei lederne Leibtaschen trug, in denen man das Geld und andere Wertsachen zu verwahren pflegt. Auf seinem Kopfe saß ein schwerer, sehr breitrandiger, aus feinem Schilfstroh geflochtener Hut. Neben dem Messer und den Pistolen war er mit einem kurzläufigen Gewehre bewaffnet. Das war nicht das Habit eines Waldmenschen; viel eher hätte ich ihn für einen Comercianten, das heißt für einen jener Händler halten mögen, welche auf den zwischen den Cordilleren und der heißen Zone liegenden einsamen Dörfern und Höfen herumziehen. Dafür sprachen auch die zwei schweren Pakete, welche er beim Einsteigen sich in unser Boot hatte bringen lassen. Vielleicht hätte er mir Auskunft gegeben, aber da er mir nicht freiwillig mit einer offenen Mitteilung entgegengekommen war, so hatte ich es nicht für angezeigt gehalten, ihn nach seinem Stand und seinen Verhältnissen zu fragen.
Es war ein wunderbarer Urwaldsmorgen, ganz, ganz anders, als ich im Westen der Vereinigten Staaten erlebt hatte. Der Urwald der Tropen ist ja unendlich verschieden von dem des Nordens. Der jungfräuliche Wald der Felsengebirge ist ernst, hehr und still. Er gleicht einem Dome. Wer ihn betritt, fühlt sich ergriffen, so daß er es kaum wagen möchte, das tiefe Schweigen durch ein laut gesprochenes Wort zu unterbrechen, zu entweihen. Im Urwalde des Südens aber ist alles eine einzige große Pracht der Farben und Formen. Da giebt es Leben und Bewegung selbst in der dunkelsten Nacht, und Ruhe tritt eigentlich nur zur Mittagszeit ein, wenn die im Zenithe stehende Sonne so glühend niederstrahlt, daß alles tierische Leben ermattet und sich in den tiefsten Schatten des Waldes zurückzieht.
Die beiden Ufer des Flusses zeigten eine üppige, undurchdringliche Palmenvegetation, über welche sich die hohen Turu-und Cucuritkronen erheben. Dann treten stellenweise die Palmen zurück, und dichtes Laubgebüsch, mit Tausenden der verschiedenfarbigsten Blüten überladen, gewann die Oberhand. Das schillerte, flimmerte, brillierte in allen möglichen Farben und Farbenmischungen und schwängerte die Morgenluft mit einem Dufte, wie so schwer und zugleich süß ihn eben nur die Tropen hervorzubringen vermögen. Dann wieder waren die Ufer bedeckt mit Bombaceen, welche ihr Laub verloren hatten. An Stelle dessen waren Millionen herrlicher Blüten aus den kahlen Aesten hervorgebrochen, aus denen sich lange, rotglänzende Samenkapseln entwickeln. Zwischen diesen Blüten hingen Hunderte der Japera-Beutelnester. Goldene Schreivögel schossen durch die Lüfte. Kolibris zuckten wie funkelnde Edelsteine hin und her. Zuweilen ertönte der entsetzliche Schrei eines einzelnen Brüllaffen, in welchen dann die ganze Satanasschar einstimmte. Auf den höchsten Zweigen der Bäume schaukelten sich Uistitis, niedliche Aeffchen von Eichhörnchengröße. Eine große Menge von Wat-und Schwimmvögeln belebte den Strom, und auf den Sandbänken sonnten sich die Krokodile. Zuweilen begegnete uns eine Schildkröte, welche uns im Vorüberschwimmen dumm-dreist anstierte. Und die Tiefe wimmelte förmlich von Fischen, welche luftschnappend in die Höhe kamen.
Die Wasservögel begrüßten unser Boot mit einem Höllengeschrei; noch größer aber war der
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