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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ansteigende Lehne bildete, konnten wir jeden einzelnen Reiter unterscheiden. Sie ritten auf eine steile Höhe zu, welche von zwar lichten aber sehr breitgipfeligen Bäumen bestanden war. Ueber diese Höhe führte eine Art natürlicher Schneuße, ein baumarmer, schmaler Streifen, auf welchen die Roten zu lenkten. Indem wir sie abzählten, bemerkten wir Zweierlei, etwas uns Willkommenes und etwas uns Ueberraschendes. Das Willkommene war, daß die beiden Anführer allein ritten, und zwar eine ziemliche Strecke hinter den andern her. Das Ueberraschende bestand darin, daß die Squaw und ihre Söhne nicht bei ihnen waren.
    »Die Sioux haben sie gar nicht mitgenommen, sondern mit den Schlangen in die Cache geworfen,« sagte ich. »Wir müssen schnell wieder zurück; aber da wir nicht wissen, wo die Cache liegt, muß Folder es uns sagen. Wir nehmen ihn und ›Langen Leib‹ gefangen. Wir müssen ihnen dort auf der Höhe zuvorkommen; also Galopp da nach den Büschen rechts, daß sie uns nicht sehen!«
    Winnetou hatte, wie gewöhnlich, ganz dieselben Gedanken wie ich gehabt; er flog, ohne meine Worte ganz anzuhören, uns schon voran, und wir folgten ihm so schnell, wie unsere Pferde laufen konnten; die Sträucher verschwanden nur so hinter uns.
    Als wir den Fuß der Höhe erreichten, waren wir überzeugt, daß die Sioux auf ihrem offenen Terrain auch noch nicht weiter waren. Wir sprangen von den Pferden. Hamerdull und Holbers sollten sie und unsere Gewehre halten, also hierbleiben, während Winnetou und ich unter den Bäumen, also von den Roten ungesehen, die Höhe zu Fuße zu ersteigen hatten. Das ging mit langen Schritten und Sprüngen die Höhe schnell bergan, wobei wir, um ruhiges Blut zu behalten, den Atem sorgfältig einteilten. Auf halber Steilung angekommen, wendeten wir uns mehr nach links, in schief emporstrebender Richtung der Schneuße zu. Als wir den Rand derselben erreichten, ritten die Sioux eben vorüber. Wir standen hinter einem über mannshohen, breiten Felsenstück. Jetzt trat eine Pause ein, nach welcher wir die beiden zurückgebliebenen Anführer kommen hörten. Als sie den Felsen passiert hatten, flüsterte Winnetou mir zu:
    »Du den Weißen, ich den Roten!«
    Wir schnellten unhörbar hinter ihnen her; ein kräftiges Ausholen, ein gelungener Sprung, und wir befanden uns hinter ihnen auf den Pferden. Die eine Hand fest um ihre Kehle, mit der andern einige Hiebe an die Schläfe, und sie glitten, indem wir nachhalfen, in bewußtlosem Zustande von ihren Pferden herab, die allerdings nicht stillstehen sondern davonrennen wollten. Ein solcher Ueberfall von hinten auf das Pferd ist gar nicht leicht; man bringt es nur nach langer Uebung fertig. Nun wandten wir unsere Lassos auf, banden damit die Gefangenen wie Säcke quer über ihre Pferde fest, nahmen diese bei den Zügeln und führten sie den Berg wieder hinab. Das war alles so schnell und vorsichtig gegangen, daß, als wir bei unsern Gefährten ankamen, wohl kaum eine ganze Viertelstunde vergangen war.
     

    Unten lag die Squaw, jetzt wieder in Krämpfen und schwer mit dem Atem ringend.
     
    Nun ging es wieder durch die Büsche zurück, nach dem Walde und dann immer weiter, bis wir sahen, daß die Entführten wieder zu sich kamen; da hielten wir an. Sie erschracken nicht wenig, als sie bemerkten, daß sie nicht mehr bei ihren Sioux sondern gefangen waren. »Langer Leib« erkannte uns sofort. Folder wollte mit Grobheiten um sich werfen; da hielt ich ihm den Revolver vor und sagte:
    »Still, Hallunke, sonst schieße ich Dich augenblicklich nieder! Wir wollen die Upsaroka-Squaw und ihre Kinder haben, und Du wirst uns die alte Cache zeigen, in welcher sie stecken. Wenn ihnen die Schlangen nur den geringsten Schaden zugefügt haben, so ist der heutige Tag der letzte Euers Lebens; das schwöre ich, Old Shatterhand, Dir zu!«
    »Cache – – – –? Schlangen – – –?« fragte er, nach einer Ausrede suchend.
    »Schweig, sonst bekommst Du die Kugel! Ihr setzt Euch jetzt richtig auf die Pferde und werdet da fest angebunden. Dann reiten wir weiter. Wer nur einen Versuch des Widerstrebens macht, ist einen Augenblick später ein toter Mann!«
    Auch wenn sie diese Drohungen nicht hätten beachten wollen, wären sie durch den unerbittlichen Blick, mit dem das Auge des Apatschen an ihnen haftete, zum widerstandslosen Gehorsam veranlaßt worden. Wir fesselten sie auf ihre Pferde und ritten dann mit ihnen weiter, vermieden aber den bisherigen Weg, um den Sioux die

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