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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zurückbleibe, keine, keine. Was meintest Du da?«
    »Die Falten, Runzeln und alle Entstellungen und Unschönheiten des Angesichtes. Ich sage Dir: Wenn Du den Stamm besuchst, welchem die Verfertigerin dieser Salbe angehört, so findest Du nur Frauen und Mädchen, auf deren Wangen der Schnee des Gebirges und der liebliche Glanz der Morgenröte wohnt. Dieses wunderbare Mittel ist ein Geheimnis, welches sie durch ihre Urgroßmutter von ihrer Ur-Urgroßmutter geerbt hat; diese hatte wieder eine Urahne, deren Ur-Urahne, eine sehr fromme Frau, es vom Erzengel Dschebraïl 4 bekam, der es ihr als Belohnung für ihre Tugenden direkt aus dem siebenten Himmel des Paradieses brachte, wo es bereitet wird, um den seligen Geistern ewige Jugend zu verleihen.«
    »Nun sag’ endlich, wie heißt die Frau?«
    »Ihren eigentlichen Namen kenne ich nicht; sie wird nicht anders als ›Umm ed Dschamahl‹ 5 genannt.«
    »Wo wohnt sie?«
    »Sie ist bald da und bald dort; denn es gibt tausende von Harimat, welche sie besuchen muß. Sie ist eine Bachtijarin von der Unterabteilung Idiz, welche sich meist im Norden von Kirmanschah aufhält, aber oft auch weiterzieht.«
    »Wenn Du die Frau suchst, wie erfährst Du da, in welcher Gegend sich ihr Tir 6 befindet?«
    »Ich gehe zu Mirza Taras in Kirmanschah, welcher Attar 7 ist und die Salbe auch verkauft. Der weiß stets ganz genau, wo die Umm ed Dschamahl sich befindet. Wieviel Büchsen willst Du haben, eine, zwei oder drei?«
    »Wieviel kostet eine?«
    »Einen Rijal medschidi.« 8
    »So kaufe ich keine.«
    »Warum?«
    »Du bist mir zu teuer.«
    Da wich der Händler einige Schritte zurück und fuhr ihn zornig an:
    »Zu teuer? Für wen die Schönheit seines Harems so wenig Wert besitzt, der hat selbst auch keinen Wert. Erst fragst Du mich nach allen möglichen Dingen aus, und nachdem ich Dir bereitwillig geantwortet habe, sagst Du, daß Du nichts kaufen willst und belohnst meine Güte mit dem Versuche, durch Schändung meines Preises mein Angesicht schamrot zu machen. Allah verderbe Dich! Er lasse Deinen Bart nimmer wachsen und setze Dir einen fränkischen Cylinderhut auf den Kopf!«
    Dieser letztere, sehr eigenartige Wunsch ist eine große Beleidigung für jeden Muhammedaner. Halef nahm die Beschimpfung ganz gegen seinen sonstigen Schnellzorn ruhig hin und sagte, als der Mann sich entfernt hatte, zu mir:
    »Selbst wenn die Salbe der Schönheit nur einen Para gekostet hätte, wäre es mir nicht eingefallen, sie von ihm zu kaufen. Hanneh, mein Weib, die unvergleichlichste unter allen Lieblichkeiten der Erde, hat es mir verboten.«
    »Hanneh?« fragte ich erstaunt. »Wie konnte sie wissen, daß Du mit diesem Händler zusammentreffen würdest?«
    »Das hat sie freilich nicht gewußt, Sihdi; aber – – – aber – – – hm! – – – wirst Du nicht etwa falsch von ihr denken, wenn ich Dir sage, wie es sich verhält?«
    »Nein.«
    »So sollst Du es wissen. Du bist nicht nur mein bester Freund, sondern auch der Wohlthäter unseres Stammes; Du urteilst nicht nach Äußerlichkeiten, sondern schaust, wie Allah, das Herz der Menschen an. Aber sag’ mir vorher einmal ganz aufrichtig: Hat Emmeh, 9 das Weib Deiner Seele, etwa schon Falten oder gar Runzeln im Gesicht?«
    Ich wußte, was er wollte; die Orientalinnen altern schnell; seine Hanneh hatte Falten; darum antwortete ich schonend:
    »Sie hat noch keine, denn sie ist noch jung; aber wenn sie mich so lange glücklich gemacht hat wie Hanneh Dich, dann wird sie welche haben, und ich werde sie gerade um dieser Falten willen noch mehr lieben als vorher.«
    Da fiel er schnell ein:
    »Sihdi, Du bist wahrhaftig ein ebenso guter Mensch wie ich! Auch ich liebe meine Hanneh, die schönste unter allen Frauen des Erdreiches, mit doppelter Stärke, seit ihre glatten Wangen angefangen haben, sich allmählich zu zerknittern. Sie hat alles, alles gethan, was möglich war, die Falten zu entfernen, doch vergeblich. Weißt Du, die Runzeln sind das Ungeziefer der Schönheit; wenn man erst eine hat, so vermehrt sie sich ins Ungeheure. Es sollte jede Frau so klug sein, die erste gar nicht aufkommen zu lassen! Aber die Weiber besitzen, wie Du weißt, nicht diejenige Vorsichtigkeit, welche eine hervorragende Eigenschaft von uns Männern ist; Allah bewahre sie uns! Du glaubst gar nicht, wie tief die Falten des Gesichtes in das Herz des Weibes schneiden, zumal wenn keine Salbe Änderung bringt! Hanneh, die herrlichste Rose unter allen Rosenarten, teilte mir schließlich mit,

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