Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
zunächst nach Kirmanschah gehe, erkundigte er sich nach dem Grunde. Halef teilte ihm denselben in aller Aufrichtigkeit mit, und da erfuhr ich denn zu meiner Verwunderung, daß ihm der Bimbaschi beistimmte. Auch dieser kannte den Ruf, in welchem die Umm ed Dschamahl stand, und versicherte mir, daß er vollständig begründet sei; er habe unzähligemal gehört, daß das Mittel beinahe Wunder wirke. Auf dieses Zeugnis hin fiel es mir nicht ein, meinem Zweifel auch ihm gegenüber Worte zu verleihen. –
Einige Tage später befanden wir uns schon weit hinter der berühmten Pforte des Zagrosgebirges, und zwar auf der einstigen Heerstraße, auf welcher Alexander der Große im Jahre 330 zur Verfolgung des Darius nach Ekbatana gezogen war. Jetzt hatte dieser unser Weg freilich nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit dem, was man sich unter einer Heerstraße zu denken pflegt.
Wir waren vortrefflich beritten; selbst der Schah in eigener Person hätte sich unserer Pferde nicht zu schämen brauchen. Man kennt meinen unvergleichlichen Araberhengst Rih, welcher mir während einer Verfolgung feindlicher Kurden unter dem Leibe erschossen wurde. Jetzt ritt ich einen gleichwertigen Nachkommen von ihm, Ben Rih 12 genannt, der ein Rapphengst wie sein Vater war. Mein Halef saß auf einem vorzüglichen schwarzen Nedjedihengst, welcher Barkh 13 hieß. Beide Pferde, ihrem Werte nach unverkäuflich, besaßen die hochfeinste arabische Erziehung und verstanden sich auf diejenigen »Geheimnisse«, ohne welche selbst das edelste Pferd nicht den vollständigen Gebrauchswert für den Dschesireh-Beduinen haben würde.
Wir waren in der letzten Nacht in Mijahni Tahk, einem kleinen Dörfchen, geblieben und dann am frühen Morgen durch eine enge Bergschlucht gekommen, welche in das ziemlich breite, sich fast bis nach Kerind hinziehende Gebirgsthal mündete. Auf den letztgenannten Ort war ich aus dem Grunde sehr gespannt, weil man ihn als den Hauptort der Ali-Ilahi’s bezeichnet, welche ich gern kennen lernen wollte. Man sagt, daß sie dem Kalifen Ali göttliche Ehren erweisen und den Teufel nicht nur anbeten, sondern ihn sogar für den Schöpfer des Weltalls halten. Die Luren und Bachtijaren, zu denen sie meist gehören, sollen räuberische, gewaltthätige Menschen sein; wir waren in den letzten Tagen überall, wo wir einkehrten, vor ihnen gewarnt worden; man hatte uns überall gesagt, daß es sehr gewagt sei, zu nur zweien über die Berge zu reiten, in deren Schluchten sich rechts und links das Gesindel verberge, um jede Gelegenheit zum Raube zu benutzen; man hatte uns auch die Namen mehrerer Personen genannt, welche in letzter Zeit überfallen und ermordet worden seien; aber wir waren noch durch ganz andere Gegenden gekommen, ohne uns zu fürchten, und hatten also die Schutzbegleitung, welche uns an verschiedenen Orten angeboten worden war, zwar höflich, aber bestimmt abgelehnt. Wir wußten aus Erfahrung, daß diese Sorte von gemieteten Schirmherren ihre einzige Aufgabe darin suchen, ihre Schützlinge auszubeuten, und sich dann beim Nahen einer wirklichen Gefahr schleunigst aus dem Staube machen. So waren wir vollständig unbelästigt bis herauf in die Nähe von Kerind gekommen und hofften, mit demselben Glücke Kirmanschah, unser nächstes Ziel, zu erreichen.
Freilich war uns schon in Chanekihn und dann auch in Serpuhl erzählt worden, daß weiter im Innern des Landes vor kurzem einige Fälle von Babi-Empörung vorgekommen seien; aber wir hatten nichts Genaueres darüber erfahren können und hielten diese Warnung auch nur für einen Versuch, uns eine Sicherheitswache aufzuschwatzen. Was hatten wir, die Fremden, mit der persischen Sekte der Babi zu schaffen, deren Angehörige nicht den mindesten Grund hatten, uns als Feinde zu betrachten?
Der Stifter dieser Sekte war der Hadschi Ali Muhammed aus Schiras; er behauptete, seine Lehre sei der Eingang zur wahren Glückseligkeit und wurde darum Bab 14 genannt; daher der Name Babi. Da die neue Lehre als eine Vollendung des Kuran bezeichnet wurde und »Bab« behauptete, er stehe höher als Muhammed, ging die persische Regierung auf Anstiften der islamitischen Geistlichkeit gegen die Sektierer vor, deren Hauptschar nach langem Widerstande besiegt und dann grausam hingerichtet wurde. Die von diesem Schlage nicht Getroffenen sammelten neue Anhänger und predigten Rache. Es wurde ein Attentat auf den Schah Naßr ed Din versucht, welches aber nicht gelang. Die Schuldigen erlitten unmenschliche Strafen, und
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