Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
lauter Gutes. Das hätte ich nicht gedacht! Das ist eine Ehre, Herr, denn dieser Mann ist berühmter und geachteter als mancher Fürst da drüben im alten Lande.«
Er nahm seine Mütze von dem ergrauten Haupte, streckte dem Häuptlinge die Hand entgegen und sagte:
»
I am your servant, Sir
– ich bin Euer Diener, Sir.«
Ich gestehe, daß diese Ergebenheitsphrase einem Indianer gegenüber mir ein kleines Lächeln abnöthigte; aber sie war gut und aufrichtig gemeint. Winnetou verstand und sprach das Englische gut. Er nickte freundlich, drückte dem Alten die Hand und antwortete:
»
Winnetou is your friend; it loves the whites if they are good
– Winnetou ist Euer Freund; er liebt die Weißen, wenn sie gut sind.«
Jetzt begann eine Art freundlichen, liebevollen Streites darüber, wer die Gäste bekommen sollte. Hillmann machte demselben ein Ende durch den Schiedsspruch:
»Sie sind vor meinem Hause abgestiegen und gehören alle Drei mir. Damit Ihr aber nicht zu kurz kommt, seid Ihr heut Abend zu mir geladen. Nun aber gebt den Herren Ruhe; sie werden ermüdet sein!«
Die Andern ergaben sich darein. Unsere Pferde wurden in eine der Nebenhütten geführt und wir mußten in das Blockhaus treten, wo uns im Wohnraume eine hübsche, junge Frau empfing, die Frau Willy’s, des jungen Hillmann. Es wurde uns alle mögliche Bequemlichkeit geboten, und während des kurzen Imbisses, welchen wir vor dem eigentlichen Abendessen, welches heute ein Festmahl werden sollte, nehmen mußten, erfuhren wir die Verhältnisse der kleinen Ansiedelung.
Sämmtliche Settlers hatten vorher in Chicago gewohnt. Sie waren aus dem bayerischen Fichtelgebirge nach Amerika gekommen, hatten in Chicago treu zusammengehalten und fleißig gearbeitet, um sich das Geld zu einer Farm zu verdienen. Das war allen fünf Familien gelungen. Als sie sich entscheiden sollten, in welcher Gegend sie sich eine Heimath gründen wollten, gab es eine schwere Wahl. Da hörten sie einen alten Westmann von den Tetons erzählen und von den Reichthümern, welche in jenen unerforschten Gegenden aufgestapelt liegen. Er hatte ihnen zugeschworen, daß da oben ganze Felder von Chalcedonen, Opalen und Achaten, Carneolen und andern Halbedelsteinen zu finden seien. Hillmann war eigentlich Steinschneider, und dieser Bericht begeisterte ihn. Seine Begeisterung bemächtigte sich auch der Andern, und so wurde beschlossen, nach jene Gegenden zu gehen. Aber die vorsichtigen Deutschen waren klug genug, nicht ihr ganzes Vertrauen auf jene Reichthümer zu setzen. Sie beschlossen, sich in der Nähe der Berge einen für Farmereibetrieb passenden Ort zu suchen, sich dort als Squatters niederzulassen und erst dann, wenn die Farm in Gang gebracht sei, nach den Steinfeldern des alten Westmannes zu forschen. Der alte Hillmann war mit noch Zweien auf die Suche gegangen und hatte den prächtigen Thalkessel mit dem See gefunden. Dieser Ort paßte für ihr Vorhaben; man holte die Andern nach, und nun, nach drei arbeitsreichen Jahren, konnten sich die braven Leute die erste Ruhe gönnen.
»Und sind Sie schon einmal droben bei den Tetons gewesen?« fragte ich.
»Mein Willy und Bill Meinert, der Sie von Chicago aus kennt, haben es einmal versucht, hinauf zu gelangen; das war im vorigen Herbste; sie sind aber nur bis hinauf zum John Grays See gekommen; dann ist es ihnen zu wild und bergig geworden. Sie haben nicht weiter fort gekonnt.«
»Daran sind sie leider selbst schuld,« bemerkte ich: »sie sind keine Westmänner.«
»O, Herr, ich denke doch!« meinte Willy.
»Nehmt mir’s nicht übel, wenn ich trotzdem bei meiner Behauptung bleibe. Selbst bei einem drei Jahre langen Urbarmachen einer Wildniß wird man nur ein Settler, aber kein Westmann. Sie haben die Tetons von hier aus in schnurgerader Linie erreichen wollen, und ein Westmann weiß genau, daß dies ganz unmöglich ist. Das wird selbst in einem halben Tausend von Jahren noch nicht möglich sein, viel weniger jetzt, wo Alles noch in dichter Wildniß liegt. Wie wollen Sie undurchdringliche Urwälder, die von Bären und Wölfen bevölkert sind, Abgründe und Schluchten, in denen kein Fuß einen Halt findet, Cannons, wo hinter jedem Felsen ein Indsman lauschen kann, überwinden? Sie hätten von hier aus den Salt-River oder John Grays River zu erreichen suchen sollen. Beide münden unweit von einander in den Snake-River, den Sie dann aufwärts verfolgen mußten. Dann bekamen Sie zur Linken zunächst die Snake River Mountains, dann die Teton
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