Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
dürfen keinen Augenblick verlieren! Wir können jetzt nicht ruhen; wir müssen der Fährte folgen, so lange wir sie erkennen können, und dann erst, wenn es Abend ist, werden wir Lager machen. Vorwärts!«
Mit diesen Worten bestieg ich den Schwarzschimmel wieder. Die Andern folgten. Der Apache ritt an der Spitze und verwendete keinen Blick von den Spuren der Verfolgten. Man hätte ihn wohl tödten, nicht aber von dieser Fährte abbringen können, eine solche Erbitterung hatte sich unser Aller bemächtigt. Wir waren vierzig gegen achtzig Mann, aber in einer solchen Stimmung zählt man die Gegner nicht.
Wir hatten noch volle drei Stunden Tageslicht und legten während dieser Zeit eine so große Strecke zurück, daß wir mit den ungewöhnlichen Leistungen unserer Pferde höchst zufrieden sein konnten. Dann gönnten wir ihnen die so wohlverdiente Ruhe.
Am andern Tage zeigte es sich, daß wir die Ogellallah drei Viertel einer Tagereise vor uns hatten, und später bemerkten wir, daß sie ihren Ritt während der ganzen Nacht fortgesetzt hatten. Der Grund zu dieser Eile ließ sich errathen. Winnetou hatte beim Ueberfalle seinen Namen in die finstere Nacht hinausgerufen; sie wußten, daß man sie verfolgen werde; sie wußten den Apachen hinter sich, und das war genug Grund eilig zu sein.
Da unsere Pferde bis jetzt das beinahe Unmögliche geleistet hatten, so durften wir sie nicht gar zu sehr anstrengen; es kam ja Alles darauf an, sie bei Kräften zu erhalten. Daher kam es, daß wir in den ersten beiden Tagen den Verfolgten nicht näher kamen.
»Die Zeit vergeht,« sagte Walker, »und wir werden zu spät kommen.«
»Wir kommen nicht zu spät,« antwortete ich ihm. »Die Gefangenen sind für den Marterpfahl aufgehoben, und dieses Schicksal werden sie erst dann haben, wenn die Ogellallah in ihren Dörfern angekommen sind.«
»Wo befinden sich diese Dörfer jetzt?«
»Die Dörfer der Ogellallah sind jetzt droben im Quackingasp-Ridge,« antwortete Winnetou, »und wir werden diese Räuber noch viel eher erreichen.«
Am dritten Tage stießen wir auf ein ganz bedeutendes Hinderniß: es theilte sich die Fährte. Die eine Hälfte lief grad nach Norden fort, und die andere ging nach Westen ab. Die Erstere war die bedeutendere.
»Sie wollen uns aufhalten!« meinte Fred.
»Die weißen Männer mögen halten,« gebot Winnetou. »Die Spur darf von keinem Fuß berührt werden.«
Darauf gab er mir einen Wink, den ich sofort verstand. Ich sollte die grad fortlaufende, und er wollte die links abgehende Fährte beobachten. Wir ritten also Beide in den angegebenen Richtungen weiter; die Andern mußten warten.
Ich ritt wohl eine Viertelstunde weit. Die Zahl der Pferde, welche hier gegangen waren, war schwer zu bestimmen, da die einzelnen Thiere hintereinander her geschritten waren; aber aus der Tiefe und der Form der gemeinschaftlichen Hufeindrücke konnte ich schließen, daß es nicht viel über zwanzig gewesen seien. Während dieser Untersuchung bemerkte ich im Sande einige dunkle, kleine, runde Flecken, daneben zu beiden Seiten eine eigenthümliche Schichtung der trockenen Sandkörner, und vor diesen Zeichen sah die Stelle aus, als sei mit einem breiten Gegenstande auf dem Sande hin und her gerieben worden. Ich kehrte sofort im Galopp um und fand Winnetou bereits meiner wartend.
»Was hat mein Bruder gesehen?« fragte ich ihn.
»Nichts als die Fährte von Reitern.«
»Vorwärts!«
Mit diesen Worten wandte ich mich wieder um und eilte voran.
»Uff!« rief der Apache.
Er wunderte sich über meine Sicherheit und merkte aus derselben, daß ich einen untrüglichen Beweis gefunden haben müsse, daß die Gefangenen in dieser Richtung fortgeschleppt worden seien. Als ich die Stelle erreichte, hielt ich an und fragte den Dicken:
»Master Walker, Ihr seid ein guter Westmann.
Seht Euch einmal diese Spur an, und sagt mir, was sie zu bedeuten hat!«
»Spur?« fragte er. »Wo?«
»Hier!«
»Ah! Was soll das für eine Spur sein! Hier ist der Wind über den Sand gegangen!«
»Schön! Er wird wohl auch noch öfters darüber gehen! Ich wette mit Euch um was Ihr wollt, daß Winnetou von diesen beinahe ganz unsichtbaren Zeichen ganz dieselbe Ansicht haben wird wie ich. Mein rother Bruder möge sie sich betrachten!«
Der Apache stieg ab, bückte sich, warf einen langen, forschenden Blick auf die Stelle und sagte:
»Mein Bruder Schar-lih hat den richtigen Weg gewählt, denn hier sind die Gefangenen geritten.«
»Woher will man dies
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