Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
sehen?« fragte Fred halb ungläubig und halb ärgerlich darüber, daß er nicht scharfsinnig genug war, das Richtige zu treffen.
»Mein Bruder blicke genau her!« sagte Winnetou. »Diese Tropfen sind Blut; rechts und links davon lagen die Hände und nach vorn der Leib eines Kindes – – –«
»Welches,« fiel ich ein, »vom Pferde fiel, so daß ihm die Nase blutete!«
»Ah!« rief der Dicke.
»O, das ist nicht so schwer zu sehen! Aber ich wette, es kommt noch etwas Anderes, was uns viel größere Mühe machen wird. Vorwärts!«
Ich hatte Recht. Wir hatten den Weg kaum zehn Minuten fortgesetzt, so kamen wir an eine felsige Stelle, und von da an hörten alle Spuren auf.
Die Andern mußten halten bleiben, um uns das Suchen nicht zu erschweren, und es dauerte gar nicht lange, so stieß der Apache einen freudigen Ruf aus und brachte mir einen starken gelb gefärbten Faden.
»Was sagt Ihr dazu, Fred?« fragte ich.
»Dieser Faden stammt aus einer Decke.«
»Richtig! Seht Euch die scharfen Enden desselben an! Man hat die Decken zerschnitten und die Theile derselben den Pferden um die Hufe gewickelt, damit sie keine Spur hinterlassen sollen. Wir müssen uns auf das Aeußerste anstrengen!«
Wir suchten weiter, und, richtig! einige dreißig Schritte davon bemerkte ich im Grase, welches auf nun wieder sandigem Boden wuchs, die schlecht ausgelöschte Spur eines indianischen Maccassin. Die Stellung des Fußes gab uns die Richtung an, in welcher der Weg fortgesetzt worden war.
In dieser Richtung fanden wir bald weitere Anhaltepunkte, und endlich erkannten wir, daß die Leute hier ganz außerordentlich langsam vorwärts gekommen waren. Nach langer Zeit wurden die Spuren wieder deutlicher. Man hatte die Pferdehufe von der Umhüllung befreit, und schließlich sahen wir ganz deutlich, daß neben den Pferden Indianer zu Fuße gegangen waren.
Das war wunderbar und gab mir zu denken, bis Winnetou plötzlich sein Pferd anhielt, in die Ferne blickte und eine Geberde machte, als ob er sich auf Etwas besinne.
»Uff!« rief er. »Die Höhle des Berges, welchen die Weißen Hancock nennen!«
»Was ist’s mit ihr?« fragte ich.
»Winnetou weiß jetzt Alles! In dieser Höhle opfern die Sioux ihre Gefangenen dem großen Geiste. Diese Ogellallah haben sich getheilt. Der große Theil reitet nach links, um die zerstreuten Truppen seines Stammes herbei zu rufen, und der kleine Theil bringt die Gefangenen zur Höhle. Man hat Mehrere auf ein Pferd geladen, und die Ogellallah laufen nebenher.«
»Wie weit ist dieser Berg von hier?«
»Meine Brüder werden ihn des Abends erreichen.«
»Unmöglich! Der Berg Hancock liegt ja zwischen dem oberen Snake-und dem obern Yellowstone-
»Mein weißer Bruder mag bedenken, daß es es zwei Berge Hancock gibt!«
»Kennt Winnetou den richtigen?«
»Ja.«
»Und auch die Höhle?«
»Ja. Winnetou hat mit dem Vater von Ko-itse in dieser Höhle einen Bund geschlossen, den dieser Ogellallah dann brach. Meine Brüder werden mit mir diese Fährte verlassen und sich dem Häuptling der Apachen anvertrauen!«
Er gab, als sei er seiner Sache ganz gewiß, seinem Pferde die Sporen und sprengte im Galopp davon, wir ihm nach. Es ging eine geraume Zeit durch Thäler und Schluchten, bis plötzlich die Berge auseinander traten und eine ebene Grasfläche vor uns lag, welche nur am fernen Horizonte von Höhen eingefaßt zu sein schien.
»Das ist
J-akom akono,
die ›Prairie des Blutes‹ in der Sprache der Tehua,« erklärte Winnetou, ohne in seinem schnellen Ritte anzuhalten.
Das also war die fürchterliche Prairie des Blutes, von der ich so viel gehört hatte! Hierher hatten die vereinigten Stämme der Dakota ihre Gefangenen gebracht, losgelassen und zu Tode gehetzt. Hier waren Tausende von unschuldigen Schlachtopfern den Tod des Pfahles, des Feuers, des Messers, des Eingrabens gestorben. Hierher wagte sich kein fremder Indianer oder gar Weißer, und wir ritten über diese Ebene der Fluches so unbesorgt, als ob wir uns auf dem friedlichsten Boden befänden. Unser Führer dabei konnte nur ein Winnetou sein!
Schon begannen unsere Pferde vom Jagen zu ermüden. Da hob sich vor uns langsam eine isolirte Höhe empor, welche aus mehreren zusammengeschobenen Bergen zu bestehen schien. Wir erreichten ihren mit Wald und Buschwerk besetzten Fuß und ließen dort die Pferde rasten.
»Das ist der Berg Hancock,« bemerkte Winnetou.
»Und die Höhle?« fragte ich.
»Sie ist auf der andern Seite des Berges. In einer
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