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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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als teilten sie etwas Ungreifbares, Unaussprechliches, aber äußerst Reales und Wichtiges.
    Nach einer Weile hörten sie wieder die Stimme.
    »Max? Können Sie mich hören? Sagen Sie mir nur, ob Sie mich hören können und ob mit Ihnen beiden alles in Ordnung ist.«
    Max hob langsam den Kopf. »Sprechen Sie mit ihm«, sagte er, als hätte er einen Marathonlauf hinter sich und könne kaum noch atmen. »Stehen Sie auf, gehen Sie ans Fenster.«
    Jane zögerte.
    »Ich werde Sie nicht anfassen, Jane.«
    Vertrauen, dachte sie, es geht um Vertrauen, und ich glaube, ich habe meines verloren.
    Sie bewegte sich. Stand auf. Max sah sie nicht an. Mit unsicheren Schritten ging sie zum Fenster und zog den Vorhang zurück.
    Von draußen blickte sie ein hochgewachsener Mann mit sehr hellem Haar an.
    Sie nickte.
    »Gut«, sagte der Mann. »Okay?«
    Sie wusste es nicht.
    »Max?«, rief der Mann.
    Aber Max saß mit gesenktem Kopf am Boden, atmete seltsam, rasselnd, als hätte er Asthma.
    »Jane, können Sie zur Haustür kommen?«
    Max sah sie immer noch nicht an.
    »Oder sonst könnte ich hineinkommen. Max, was wollen Sie? Dass Jane hinaus- oder ich hineinkomme?«
    Max schüttelte den Kopf. Sagte nichts. Blickte nicht auf. War in seinem eigenen engen, verängstigten Kreis gefangen, unerreichbar.
    Jane ging hinüber zur Zimmertür. Wartete. Trat in den Flur. Dort blieb sie stehen. Sie fühlte, dass sie Max retten sollte, aber um das zu tun, würde sie Lizzie wieder lebendig machen müssen. Es gab keinen Ausweg.
    »Jane?«
    »Die Tür ist abgeschlossen. Er hat den Schlüssel genommen.«
    »Warten Sie dort.«
    Sie wartete. Max blieb im Wohnzimmer, still und schweigend, den Kopf gesenkt.
    Es dauerte nur ein paar Minuten. Eine solche Stille herrschte, dass Jane die Amsel draußen im Busch singen hörte. Dann rennende Schritte den Pfad entlang und das schwere Krachen von splitterndem Holz.
    Der Mann mit dem blonden Haar kam durch die zerstörte Tür auf sie zu.

    Zwei Stunden später war sie aus dem Krankenhaus entlassen, erschüttert, aber unverletzt. Max Jameson sah sie nicht mehr.
    »Wohin bringen Sie mich?«, fragte sie im Polizeiwagen auf der Fahrt durch die Straßen Laffertons, so ruhig, so normal in der Spätnachmittagssonne. »Ich möchte nach Hause. Ich muss mit Leuten reden … mich um die Tür kümmern, ich …«
    »Wir haben sie gesichert, Liebes. Sie müssen noch eine Aussage machen und ihn anzeigen.«
    »Nein.«
    Zwei Polizisten waren mit ihr im Auto, der eine in Uniform, der andere ein Detective. Rotblondes Haar. Fröhlich. Hässlich.
    »Ich will ihn nicht anzeigen. Es gibt nichts, wofür ich ihn anzeigen könnte.«
    »Ach, kommen Sie, Reverend, er hat Sie gewaltsam festgehalten, Freiheitsberaubung begangen, gedroht, Ihnen die Kehle aufzuschlitzen … Natürlich müssen Sie ihn anzeigen. Das ergibt eine ellenlange Liste. Da wäre Tätlichkeit, da wäre …«
    »Ich will das nicht.«
    »Hören Sie, Sie müssen es erst noch verarbeiten …«
    »Das habe ich bereits. Danke. Er ist völlig von Sinnen vor Kummer. Seine Frau ist gestorben. Er weiß nicht, was er tun, an wen er sich wenden soll, er ist wütend … Es gibt nichts, wofür man ihn anzeigen könnte. Ich war nur … ein Brennpunkt für all das. Er hat mir nichts getan.«
    »Ja, ja, und bedroht hat er sie auch nicht, oder?« Er lächelte.
    »Doch«, sagte sie. »Trotzdem.«
    Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Wenn er das mit meiner Frau gemacht hätte, dann hätte ich ihn abgeschlachtet.«
    »Aber er braucht Hilfe. Jemanden, mit dem er reden kann. Keine Zelle und keine Anzeige wegen Tätlichkeit.«
    »Ich sag Ihnen was, nichts für ungut, aber es gibt so was wie zu viel Vergebung, wissen Sie, zu viel christliche Nächstenliebe. Ganz bestimmt.«
    Jane lehnte sich zurück. Sie war erschöpft. Sie fühlte sich innen hohl, als flösse kein Blut durch ihre Adern oder als hielten sie keine Knochen zusammen. Sie argumentierte nicht mehr, hatte keine Energie dazu.

    Als der Wagen in den Kathedralenhof bog, kam Rhona Dow, die Frau des Kantors, zur Tür heraus.
    »Jane, meine Liebe. Ich bin so erleichtert, Sie zu sehen. Was für eine scheußliche Sache. Jetzt bleiben Sie natürlich erst mal bei uns.«
    Jane konnte sich nur noch auf den Pfad setzen und weinen.

Neunzehn
    D ie Fenster des Bauernhauses standen offen, und hin und wieder drang das Lachen eines der Deerborn-Kinder heraus, als bliese jemand kleine Bläschen aus einer Tonpfeife. Sie hatten den Nachmittag im

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