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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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schreiben.«
    Sie blieben einen Moment vor der Haustür stehen.
    »Was für ein widerlicher Typ«, sagte Lydia.
    »Aber so wie es aussieht, hat er ein Alibi.«
    »Also, auf zum nächsten Kandidaten.«
    Sie gingen zurück zum Wagen. Auf dem Bürgersteig kam ihnen eine Gruppe Erstklässler entgegen, die auf dem Heimweg von der Schule waren. Sie redeten aufgeregt durcheinander und machten sich auf dem Bürgersteig so breit, dass Chris und Lydia in eine Einfahrt ausweichen mussten.
    »Was für ein Flohzirkus«, wollte Lydia gerade sagen, als Chris sich abrupt umdrehte und den Kindern hinterherrannte.
    »Anna! Anna! Warte doch, ich bin’s. Papa.« Er packte eins der Mädchen an der Jacke und drehte es zu sich um.
    Das Mädchen schrie entsetzt auf und fing an zu weinen.
    Chris bemerkte seinen Irrtum und entschuldigte sich bestürzt. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Doch das Mädchen hörte nicht auf zu weinen.
    Lydia stürzte zu ihnen. Sie nahm das Mädchen in den Arm und fuhr ihr über die dunklen Locken. »Hey, Kleine. Der Mann wollte dir keine Angst machen. Er hat auch eine Tochter, die fast genauso aussieht wie du. Er hat dich mit ihr verwechselt.«
    Das Mädchen sah sie mit großen, verweinten Augen an. Die anderen Kinder blickten ratlos von Chris zu Lydia.
    Eine Frau kam aus einem der Häuser gegenüber. »Ist dem Mädchen etwas passiert? Hat dieses Schwein sich an ihr vergriffen? Soll ich die Polizei rufen?«
    Lydia erhob sich. »Nein. Alles in Ordnung. Es war eine Verwechslung.«
    Die Frau trat zögernd zurück ins Haus, nicht ohne einen langen misstrauischen Blick auf Chris zu werfen.
    Die Kinder rannten weiter, das Mädchen im Schlepptau. Sie lärmten und alberten herum, hatten den Vorfall vermutlich schon fast vergessen. Kurz darauf waren sie um die Straßenecke verschwunden. Lydia, die ihnen nachgesehen hatte, wandte sich ab. Chris stand auf dem Bürgersteig wie ein begossener Pudel.
    »Was sollte das, verdammt noch mal?«, fauchte Lydia ihn an. »Bist du verrückt geworden?«
    »Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Normalerweise passiert mir das nicht mehr. Früher habe ich an jeder Straßenecke geglaubt, Anna zu sehen. Inzwischen kommt das eigentlich nicht mehr vor. Es tut mir leid.« Er setzte sich auf die niedrige Mauer, die einen Vorgarten begrenzte, und starrte ins Leere.
    »Ich weiß nicht, ob es mit einer Entschuldigung getan ist. Du hast dich nicht unter Kontrolle. Was, wenn dir so etwas bei einem Einsatz passiert? Dann bist du ein Risiko für uns alle.«
    Er senkte den Kopf. »Es steht dir frei, Weynrath zu informieren. Vielleicht bist du mich dann los.«
    Lydia setzte sich zu ihm und sah ihn an. »Das traust du mir zu?«
    Er musterte immer noch den Boden. »Vermutlich wäre das die beste Lösung.«
    »Ja, vermutlich.«
    Sie schwiegen. Die Frau von gegenüber zog die Gardine zur Seite und beobachtete sie unverhohlen.
    Lydia beachtete sie nicht. »Allerdings habe ich mich jetzt schon irgendwie an dich gewöhnt. Ein bisschen zumindest.«
    Chris sah sie an. »Geht mir genauso«, sagte er leise.
    »Aber du musst mir etwas versprechen, Salomon.«
    »Was?«
    »Unterstell mir nie wieder eine Affäre mit diesem Arschloch Hackmann.«
    »Habe ich nicht getan.«
    »Und was sollte das dann heute morgen?«
    »Ich hatte den Verdacht, dass er in unserem Büro war. Es roch nach seinem Aftershave. Ich wollte sichergehen, dass sein Besuch ohne Einladung erfolgt ist, bevor ich ihn zur Sau mache.«
    »Hast du ihn zur Sau gemacht?«
    »Allerdings.«
    »Dieser Mistkerl hat in unserem Büro nichts verloren. Das ist Einbruch. Damit ist er eindeutig zu weit gegangen.«
    »Wir können ihm nichts nachweisen.«
    »Leider nicht.« Sie stand auf. »Machen wir weiter?«
    Er blieb sitzen, griff nach ihrer Hand und drückte sie. »Danke.«
    Sie zog die Hand weg. »Freu dich nicht zu früh.« Unvermittelt wandte sie sich ab und lief zum Auto. Sie hatte bereits ausgeparkt, als er ihr folgte.

31

    Mittwoch, 16. September
    Klaus Halverstett gähnte. »Was war das für ein beschissener Tag. Wir treten auf der Stelle. Nicht eine einzige Person hat sich auf das Foto in der Zeitung hin gemeldet. Das ist ein absoluter Minus-Rekord.«
    Rita fummelte an dem heißen Wachs der Kerze herum, die seit dem Vortag ein gutes Stück geschrumpft war. »Heute haben es noch nicht alle Zeitungen gebracht. Vielleicht passiert morgen was.«
    »Alte Fälle sind nervtötend. Keiner interessiert sich mehr dafür.« Halverstett

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