Der Seele weißes Blut
Gleiche hier versuchen würde, dass er mich in Düsseldorf unmöglich macht, noch bevor ich eine Chance hatte, mich zu bewähren.«
Lydia sah ihn schweigend an, schließlich fragte sie: »Das ist alles? Deshalb durften die anderen nichts von diesem Fall wissen? Weil du Angst hattest, dass jemand etwas Schlechtes über dich sagt?«
»Was hast du erwartet? Das große Geheimnis?«
Sie zuckte mit den Schultern.
Er beugte sich vor, er wusste, dass er im Begriff war, sehr dünnes Eis zu betreten, doch es musste sein. »Ich habe dir reinen Wein eingeschenkt. Jetzt bist du dran. Möchtest du mir etwas sagen?«
Sie verzog das Gesicht. »Was soll das heißen?«
»Gibt es etwas, das du mir sagen möchtest?«, wiederholte er.
»Ich wüsste nicht was.«
»Zum Beispiel warum du diesen Brandau nicht selbst vernehmen wolltest.«
»Ach, ist das so unbegreiflich?« Sie sprang auf und blickte aus dem Fenster auf die Lichter der Stadt.
»Nicht unbegreiflich, aber ungewöhnlich.«
»Findest nur du das, oder haben die anderen auch etwas in der Richtung gesagt?«
Er hörte die Spannung in ihrer Stimme und wägte seine Worte sorgfältig ab. »Schmiedel hat sich gewundert. Aber es war kein großes Thema.«
»Warum machst du dann eins draus?« Sie hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlungen, sah wie ein kleines, trotziges Mädchen aus.
»Du bist eben auf dem Flur fast zusammengebrochen. Wenn Köster dir nicht seinen Arm hingehalten hätte, wärst du gestürzt. Ich glaube nicht, dass es außer Köster und mir jemand gesehen hat, also mach dir keine Sorgen. Aber ich muss wissen, was los ist.«
»Ach, musst du das?« Sie fuhr herum. »So wie ich wissen musste, warum du diese Akte aus Köln nicht offiziell herausrücken wolltest?«
Er seufzte. »Das ist doch etwas ganz anderes.«
»Ist es das?«
»Lydia, ich will dir doch nur helfen.« Es war ihm herausgerutscht, bevor er darüber nachgedacht hatte.
Sie trat vom Fenster weg auf ihn zu. »Ich brauche keine Hilfe von dir.« Ihre Stimme war ruhig und kalt. »Was bildest du dir eigentlich ein? Ich bin bisher gut ohne dich klargekommen. Warum sollte das plötzlich anders sein? Und ich habe mir etwas überlegt: Wenn dieser Fall abgeschlossen ist, werde ich mit Weynrath sprechen. Wir sind keine guten Partner. Es funktioniert nicht.«
Er nickte langsam. »Ganz wie du möchtest. Aber dann lass uns den Fall wenigstens vernünftig abschließen.«
»Von meiner Seite aus kein Problem.«
»Dann beantworte mir eine Frage.«
Sie verschränkte die Arme. »Welche?«
»Bist du die Frau, mit der Brandau zur Tatzeit zusammen war? Bist du Brandaus Alibi?«
Sie starrte ihn entsetzt an, wandte sich abrupt ab und griff nach ihrem Parka. »Das reicht. Ich denke, ich habe mir genug von dir bieten lassen. Am Dienstag war es noch Hackmann, mit dem ich etwas haben sollte, und jetzt ist es der Tatverdächtige. Du glaubst wohl, dass ich mit jedem Idioten ins Bett steige. Du musst ja wirklich eine tolle Meinung von mir haben.« Sie stürzte zur Tür. Die Klinke in der Hand, drehte sie sich noch einmal um. »Wage es bloß nicht, so etwas noch einmal anzudeuten!«
Sie knallte die Tür hinter sich zu, und Chris hörte ihre Schritte auf dem Korridor leiser werden. Er trat gegen den Papierkorb.
»Unsensibler Hornochse«, beschimpfte er sich. »Das hast du ja gründlich verbockt.« Er trat ans Fenster. »Aber das heißt nicht, dass du mich überzeugt hast, Louis. Ich werde die Wahrheit herausfinden, das verspreche ich dir.«
Er sah sie aus dem Gebäude treten und über den Parkplatz auf ihr Auto zuhasten, und er fragte sich, was für ein schreckliches Geheimnis sie haben mochte.
35
Rita Schmitt schlürfte ihren Tee und genoss es, das Büro für sich allein zu haben. Halverstett war bereits gegangen. Er hatte einen zerstreuten Eindruck gemacht. Sie war sich sicher, dass ihm etwas auf der Seele brannte, doch sie hatte nicht versucht, es aus ihm herauszubekommen. Sie arbeiteten nun schon einige Jahre zusammen, und sie waren ein gutes Team. Doch so eng, dass sie über persönliche Dinge miteinander sprachen, war die Beziehung zwischen ihnen nie geworden. Rita wusste, dass das ihr Erfolgsgeheimnis war. Zu enge Freundschaften am Arbeitsplatz brachten nur Verwicklungen. Sie betrachtete ihre Tasse. Außerdem war sie ganz froh, dass Halverstett nicht nur über seine eigenen Privatangelegenheiten schwieg, sondern ebenso wenig von ihr erwartete, dass sie ihm ihr Herz ausschüttete. Sonst hätte er sie bestimmt
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