Der Seelenbrecher
Zweisitzer als hinter dem Steuer eines Krankenwagens vermutete.
»Einen Pömpel? «, fragte Sophia.
»Na ja, oder wie man diese Balken im Display nennt.« Der Sanitäter sprang von dem Tisch und zeigte Sophia ein winziges Handy. »Ich dachte, hier unter dem Dach hätte ich vielleicht ein Signal. Sorry.« Er gönnte Caspar einen kumpelhaften Blick, doch sofort wanderten seine Augen wieder zu der Ärztin.
»Die Tür war offen, hab nur mal kurz gecheckt, ob ich hier Empfang habe.«
Sophia schnalzte kaum merklich mit der Zunge und klopfte missbilligend den Stiefeldreck von der Schreibtischplatte.
»Mobiltelefone funktionieren auf dem gesamten Klinikgelände nicht, ganz egal, welche Verrenkungen Sie anstellen.« Sophias angespannte Körperhaltung verriet, was sie von dem Sanitäter hielt.
Und auch Caspar musterte den Kerl, als handele es sich um einen Gegner beim Boxkampf. Dabei wirkte der schlanke Mann eigentlich ganz harmlos, dank seines fehlenden Bartansatzes und einer Frisur, die im Strubbellook nach vorne gegelt war. Normalerweise würde Caspar den Jüngling gar nicht beachten, doch ihm missfiel das neckische Augenzwinkern, mit dem er Sophia pausenlos bedachte.
»Bitte gehen Sie wieder nach unten und lassen Sie sich von Herrn Bachmann Ihr Zimmer zeigen«, sagte sie. Der junge Mann lächelte. »Sie wollen also wirklich, dass wir die Nacht hier gemeinsam verbringen, Frau Doktor?«
Die Ärztin verdrehte kaum merklich die Augen. »Von Wünschen kann da keine Rede sein, Herr Schadeck. Wir hängen hier leider fest.«
Zu Caspars Freude ignorierte sie die Bitte des Pflegers, Tom genannt zu werden.
»Aber Ihre Einsatzleitung wird ja sicherlich jemanden zum Krankenwagen schicken, wenn Sie sich heute nicht rechtzeitig zurückmelden?«
»Kaum.« Schadeck schüttelte den Kopf. »Das war meine letzte Fahrt, und ich sollte den Kasten danach mit nach Hause nehmen. Ich werde erst morgen Mittag wieder in der Zentrale erwartet.«
Sophia zuckte bedauernd mit den Achseln.
»Nun, wie dem auch sei. Es scheint wenig sinnvoll, sich allein im Dunkeln durch den Schneesturm zu schlagen. Laut Vorhersage werden sich morgen früh die Wetterverhältnisse gebessert haben und die Straßen bald geräumt und gestreut sein. Bei Tageslicht können wir uns dann gemeinsam auf den Weg nach unten machen.« Nach unten, dachte Caspar und stellte die Plastiktüte neben das Bett.
Aus Sophias Mund klang es so, als befänden sie sich auf einer schwindelerregend hohen Spitze einer schroffen Steilküste, an deren Fuß die Wellen eines dunklen Ozeans zusammenschlugen.
»Also ist das kein Witz? Ich soll hier wirklich über Nacht bleiben? Hier in dieser …« Man merkte deutlich, wie schwer es Tom fiel, das Wort »Klapsmühle« wieder herunterzuschlucken, das er bereits auf der Zungenspitze balanciert hatte.
» Müssen tun Sie gar nichts«, entgegnete Sophia. »Sie können es ja mal versuchen. Wir sind keine halbe Stunde Fußmarsch von dem nächsten Haus entfernt, doch ich schätze, den Weg müssten Sie auf allen vieren durch den Wald zurücklegen. Bei minus sieben Grad. Tendenz fallend.«
»Und was, wenn etwas passiert?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wenn es Bruck schlechter geht. Wie holen wir dann Hilfe?«
Schadecks Frage klang plausibel, doch Caspar ahnte, dass der Sanitäter eigentlich auf etwas anderes hatte anspielen wollen.
»Keine Sorge. Wir sind bestens ausgerüstet«, antwortete Sophia. »So wie es aussieht, hat das Messer keine inneren Verletzungen verursacht. Schlimmstenfalls sind die Stimmbänder beschädigt. Im Moment versorgt der Professor die Wunde, und Dr. Bruck wird Medikamente bekommen, damit die Luftröhre nicht zuschwillt. Wenn er aufwacht, wird er Schmerzen haben und wahrscheinlich nicht sprechen können, aber er wird es auf jeden Fall überleben.«
Dr. Bruck?
»Wenn ich jetzt bitten dürfte?«
Sophia nickte mit dem Kopf zur Tür, und Tom lächelte, als hätte sie ihn gerade auf ein Date eingeladen.
»Sehr gerne.« Der Sanitäter tippte sich zum Abschied an die Stirn. »Aber vielleicht werde ich mir den Schneepflug ausborgen und wenigstens zu meinem Funkgerät fahren.«
»Viel Glück«, wünschte ihm Caspar und ließ den Moment verstreichen, in dem er die Benzinlache hätte erwähnen können, die Linus ihm eben gezeigt hatte. Sophia blieb zwei Schritte hinter Tom und griff nach Caspars Hand, als sie an ihm vorbeiging.
»Tut mir leid wegen der Störung«, flüsterte sie und schenkte ihm ein trauriges Lächeln.
Seine melancholische Stimmung war
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