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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Blickkontakt zum Klinikleiter, der jetzt vor der Wanne kniete, wo er selbst gerade noch gestanden hatte. Raßfeld leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe in Sophias Augen.
»Pupillenreflexe vorhanden«, murmelte er. »Aber was zum Teufel …?«
Raßfeld schüttelte den Kopf und drehte sich zu Caspar um, ohne seine linke Hand von Sophias Halsschlagader zu nehmen.
»Was haben Sie ihr gegeben?«
»Nichts«, hustete er aus.
Bachmann lockerte den Griff, und endlich konnte Caspar pfeifend einatmen.
»Das war Bruck«, presste er endlich hervor.
»Bruck?«
»Sein Bett ist leer«, bestätigte Bachmann.
»Er ist durchs Fenster abgehauen.«
Raßfeld stand auf, die Augen zu Schlitzen verengt. Er musste Bachmann ein unsichtbares Zeichen gegeben haben, denn nun wurde Caspar rücklings aus dem Badezimmer gezogen. Gleichzeitig schob sich ein nach Rasierwasser duftender Schatten an ihm vorbei.
»Was wollen Sie denn hier?«
»Helfen!«, hörte Caspar den Schatten antworten. Wie bei einer altmodischen Diashow schob sich das Bild Tom Schadecks vor seine Augen.
Offenbar war mittlerweile die gesamte Klinik von dem Krach geweckt worden. Raßfeld schien die helfende Hand des Sanitäters nicht abschlagen zu wollen. Ein plätscherndes Schmatzen drang zu ihnen heraus, und Caspar wurde schon von der Vorstellung übel, wie sie gerade gemeinsam versuchten, die nasse Ärztin aus der Wanne zu heben.
»Hören Sie, wir verlieren gerade wertvolle Sekunden«, erklärte er Bachmann, der ihm erlaubt hatte, sich auf das leere Bett zu setzen. Vermutlich, damit der Hausmeister beide Hände frei hatte, um den Rollstuhl, der bislang neben Brucks Bett gestanden hatte, direkt vor das Bad zu schieben.
»Wenn wir uns beeilen, erwischen wir ihn vielleicht noch.«
»Wen?«
Bachmann kratzte sich die Koteletten. Im Gegensatz zu seiner bisher sehr energischen Körpersprache wirkte sein Gesichtsausdruck eher verängstigt.
»Na Bruck«, wiederholte Caspar und deutete mit dem Kopf auf das geöffnete Fenster. Bachmann schloss es fröstelnd, trotzdem schien es im Raum schlagartig noch kälter zu werden. Denn das Bild, das sich ihnen jetzt bot, war entsetzlich: Das nasse Bündel aus Fleisch und Knochen, das Raßfeld gerade gemeinsam mit dem Sanitäter in den Rollstuhl wuchtete, wirkte mehr wie ein Beutestück als wie ein menschliches Lebewesen.
»Los, los, in den Keller«, rief Raßfeld, und Tom setzte sich mit fast gelassenem Gesichtsausdruck in Bewegung. So als schöbe er keine Patientin, sondern nur einen Einkaufswagen vor sich her.
Der Chefarzt folgte ihm, blieb dann aber in der Tür stehen, als habe er noch etwas vergessen.
»Bruck?«, fragte er ungläubig in Caspars Richtung. »Ja.«
Raßfeld kam noch einmal zurück, bis auf drei Schritte an Caspar heran. Kleine Tröpfchen, entweder Badewasser oder Schweiß, füllten die Rillen seiner sorgenzerfurchten Stirn.
»Linus kann das bestätigen«, antwortete Caspar und war sich im gleichen Atemzug bewusst, wie lächerlich das klingen musste. Genauso gut hätte er einen Blinden als Augenzeugen benennen können.
Raßfeld atmete tief aus.
»Okay, passen Sie auf. Ich habe keine äußere Verletzung feststellen können, trotzdem scheint Frau Dr. Dorn schwer traumatisiert zu sein. Ich will keine Zeit mit unnützen Untersuchungen verplempern. Also, wenn Sie etwas wissen – wenn Sie irgendetwas gesehen haben, dann müssen Sie es mir jetzt sofort sagen, oder …«
»Nein, nichts gesehen.« Caspar sprach schneller, als der Arzt sich schon wieder abwenden wollte, um in die Radiologie zu eilen.
»Aber ich habe etwas gefunden .«
Er öffnete die Hand und zeigte Raßfeld den Gegenstand, den er an sich genommen hatte, kurz bevor Bachmann ihn überwältigt hatte.
»Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber das hier hat Sophia in der Hand gehalten.«
»O nein, bitte nicht.«
Raßfeld trat einen Schritt vor und griff fast widerwillig nach dem kleinen Zettel.
Er wirkte völlig harmlos, so wie eines dieser Papierstückchen, die Kinder zwischen einen Schnipsgummi spannen, um es durchs Klassenzimmer schießen zu können. Die geübten Finger des Psychiaters begannen zu zittern, als er das kleine, zweifach in der Mitte geknickte Notizblättchen entfaltete.
»Es ist die Wahrheit, obwohl der Name lügt«, las er flüsternd. Dann drehte er den Kopf nach oben und sah mit geschlossenen Augen an die Decke. In diesem Augenblick wurde Caspar das Ausmaß des Grauens bewusst. Vielleicht hatte Bachmanns Schwitzkasten die Erinnerung hervorgepresst. Womöglich

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