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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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sich.
»Hier ist auch Blut.«
»Was?«
»Hier.«
Er deutete vor sich auf den Boden. Mehrere dicke Tropfen führten aus dem Kernspinraum hinaus. Zwei davon waren verwischt, als wäre jemand mit dem nackten Fuß hineingetreten.
»Okay, ich bleib bei ihr.« Bachmann tropfte der Schweiß von seinem quadratischen Schädel. »Such du Raßfeld und Linus. Und hol mir die anderen. Yasmin, den Pfleger, meinetwegen die Köchin. Wir brauchen jetzt jede …« Er stockte.
»Was hast du?«
»Hörst du das?« Caspar neigte den Kopf zur Seite. Was ist das?
Ein neues Geräusch überlagerte Sophias Zuckungen. In Caspars Ohren klang es, als spanne unmittelbar über ihren Köpfen ein Riese eine Drahtschlinge.
»Ist das etwa der …?« Caspar wartete den Rest von Bachmanns Frage nicht mehr ab. Er rannte aus dem Zimmer in den Gang zurück, und das Knacken wurde lauter, je näher er der breiten Aluminiumtür kam.
Tatsächlich. Der Aufzug.
Caspar blieb vor dem Fahrstuhl stehen und beobachtete die elektronische Stockwerkanzeige. Irgendjemand fuhr gerade aus dem Keller nach oben.
     

00.47 Uhr
    Das Seitenstechen setzte auf dem Treppenabsatz zwischen erstem und zweitem Stock ein. Trotzdem zwang er sich zum Durchhalten.
Der Lift zog sich mit Tai-Chi-hafter Langsamkeit im Schacht nach oben, doch der Kasten würde dennoch vor ihm ankommen, wenn Caspar jetzt nicht zum Endspurt ansetzte. Er biss die Zähne zusammen und nahm zwei Stufen auf einmal.
Pling.
Caspar wirbelte in der zweiten Etage aus dem Treppenhaus um die Ecke, als die helle Glocke über der Fahrstuhltür anschlug.
Geschafft. Die Freude über den knapp gewonnenen Wettlauf wich der Angst. Denn in dem Moment, als sich der Schlitz zwischen den beiden Aluminiumtüren vor seinen Augen mit Licht füllte, wurde ihm bewusst, dass er dem Seelenbrecher in wenigen Sekunden waffenlos entgegentreten würde.
Es ruckelte ein letztes Mal. Die Türen öffneten sich. Stück für Stück gaben sie die Sicht auf den großen Spiegel an der Rückseite der Kabine frei. Caspar unterdrückte seine Fluchtreflexe, hob seine Arme abwehrend vor das Gesicht und erkannte … »Was suchst du denn hier?«
Nichts!
Er schnellte so hastig herum, dass die meisten Menschen instinktiv einen Schritt vor ihm zurückgewichen wären. Doch Tom Schadeck blieb ungerührt stehen und blinzelte noch nicht einmal.
»Raus mit der Sprache, was suchst du hier?«
Der Sanitäter musste sich umgezogen haben. Als er vorhin Sophia im Rollstuhl nach draußen geschoben hatte, hatte er noch im Bademantel gesteckt. Jetzt trug er wieder eine weiße Jeans und den Rollkragenpulli vom Vortag. Seine Haare wirkten frisch gegelt.
»Das Gleiche könnte ich dich fragen«, antwortete Caspar. »Warst du das gerade mit dem Fahrstuhl?« »Hä?« Der Sanitäter sah an Caspar vorbei in die leere Kabine.
»Ich meine, bist du …« Caspar suchte nach den richtigen Worten und merkte dabei selbst, wie idiotisch er sich anhören musste. Noch dazu in seinem Aufzug. Barfuß, unrasiert und lediglich mit einer mintgrünen Pyjamahose und einem verwaschenen T-Shirt bekleidet, gab er hier auf dem Flur das Vorzeigebeispiel eines Durchgedrehten ab, der bei der Pillenausgabe am Abend übersehen worden war.
»Egal, ich erklär’s dir später. Jetzt müssen wir erst mal Raßfeld finden.«
»Raßfeld?«
»Ja, er ist verschwunden.«
Caspar fröstelte.
Er sah auf seine bloßen Füße, deren Sohlen er kaum noch spürte, und erkannte seinen Irrtum. Er fror nicht wegen seiner dünnen Schlafsachen. Hier in der Teufelsbergklinik wurde gut geheizt. Er fror wegen des Luftzugs, der wie in einem eisigen Windkanal seine Knöchel umströmte.
»Und was soll das jetzt werden?«
Caspar sah nach unten und vergaß zu antworten. Die Blutflecke auf dem gewienerten Linoleum nahmen wieder seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. »Hey, ich rede mit dir, du Psycho.«
Er ließ Tom am Fahrstuhl stehen und folgte den rostfarbenen Spuren den Gang hinunter, der nach zwanzig großen Schritten einen Knick nach rechts machte. Während die wütende Stimme des Pflegers hinter ihm immer leiser wurde, nahm die Kälte zu, als er um die Ecke bog. Gleichzeitig hörte er wieder ein Knacken. Doch diesmal hatte es keinen metallischen Beiklang, sondern einen knöchernen. Und dann sah er es. Bei der Notausgangstür im hintersten Teil des Flurs war das Schott noch nicht völlig geschlossen. Wie eine Fliege, die alle zwei Sekunden vergisst, dass sie schon zum hundertsten Mal gegen die Scheibe geflogen ist, wiederholte

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