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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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verändert hatte. Er saß nicht mehr in seinem Auto, sondern auf der Kante eines harten Bettes. Seine nackten Beine baumelten herunter, und er trug ein Plastikarmband mit einer Nummer.
»Sie haben gar nichts getan«, sagte eine Stimme, die er in seinen Alpträumen noch niemals gehört hatte, die ihm aber dennoch bekannt vorkam.
Sie war freundlich, wenn auch mit einem unheimlichen Unterton.
Sie gehörte zu einem Mann, der entweder starker Raucher oder ein Kehlkopfpatient war. Oder beides. »Doch, ich habe meine Tochter auf dem Gewissen.« »Nein«, sagte die Stimme, »haben Sie nicht.«
Jetzt sah Caspar, wie eine Tür aufging, die eben noch gar nicht im Raum gewesen war, und ein Mann trat hindurch, zu dessen hochgewachsener, etwas übergewichtiger Gestalt die Stimme passen würde. Über seinem Gesicht lag ein dunkler Schatten.
»Aber wer war es dann, wenn nicht ich?«
»Das ist die falsche Frage«, sagte die Stimme, und der Schatten wurde etwas lichter.
»Was ist damals in meiner Praxis geschehen?« »Schon besser. Die Frage ist schon sehr viel besser. Ich habe sie Ihnen in dem Brief beantwortet.«
Brief?
»Welcher Brief? Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich weiß nichts von einem Brief. Ich kann mich ja noch nicht mal an den Namen meiner Tochter erinnern.«
»Doch, kannst du«, sagte die Stimme, die sich vor Caspars Augen für einen winzigen Moment zu einem schrecklich bekannten Gesicht materialisierte.
Caspar schrie, als er Jonathan Bruck erkannte. Und er schrie noch lauter, als sich der Seelenbrecher schon wieder verwandelte.
     

02.58 Uhr – Vierzig Minuten vor der Angst
    »Wer bist du?«
Die geschwollenen Adern an Schadecks Hals verrieten Caspar, dass der Pfleger ihn offenbar gerade anbrüllte. Er selbst fühlte nur einen diffusen Druck auf den Ohren und hörte ein stetiges Dröhnen, seitdem er wieder zu sich gekommen war. Ihn fröstelte, obwohl er schwitzte. »Ich weiß es nicht.«
Seine Zunge fühlte sich an wie eine Dörrpflaume, er konnte sie kaum bewegen, aber das war im Augenblick zweifelsfrei sein geringstes Problem.
Was ist geschehen? Wo bin ich?
Caspar versuchte seine Arme und Beine anzuheben, konnte sie aber nur wenige Millimeter bewegen. Ich bin gefesselt.
Er rüttelte an den Gummibändern, mit denen er auf dem Seziertisch festgebunden war. Sofort strahlte ein pochender Schmerz von seiner linken Armbeuge über die Schulter bis in die Schläfen, und ihm wurde übel. Der Schmerz wurde schier unerträglich, als sein Kopf wieder zurück auf das eisige Metall des Tisches knallte. O Gott, Tom hat sich die Betäubungspistole aus der Apotheke besorgt, mich angeschossen und in die Pathologie geschleppt.
Caspar schloss die Augen, weil das Halogenlicht ihn blendete und er glaubte, sich jede Sekunde übergeben zu müssen. Aus Angst. Und wegen des Giftes in seinem Körper.
»Was hast du mit mir gemacht?« Er war sich nicht sicher, ob sein Gekrächze überhaupt zu verstehen war. Auch das Dröhnen hatte an Dynamik zugenommen.
»Reiß dich zusammen, das Betäubungsmittel wirkt nur für zehn Minuten. Die sind jetzt vorbei. Also raus mit der Sprache: Wer bist du? Was hast du hier in dieser Klinik zu suchen?«
Ein Luftzug wehte Caspar die Haare von seiner schweißnassen Stirn, erzeugt durch etwas, das Schadeck wie einen Fächer in seiner Hand schwenkte. Als ein Blatt herausfiel, erkannte Caspar die Patientenakte. Seine Akte. »Woher ich die habe?«, sagte Tom. »Sie lag in der Bibliothek. Ganz offen auf dem Tisch. Dein Freund Jonathan hat sie für uns dort hinterlegt.«
»Das ist nicht mein Freund«, sagte Caspar und fragte sich, warum eine Spritze in seinem Arm steckte. Gleichzeitig erkannte er, dass das stampfende Grundrauschen in seinen Ohren im Nachbarzimmer erzeugt wurde. Der Kernspin. Das Virtopsieprogramm lief immer noch! Das Feuer hatte der teuren Maschine nichts anhaben können. Schadeck lachte zynisch.
»Ich fürchte, Leugnen wird langsam zwecklos.« Caspar blinzelte mehrmals heftig, um den trüben Schleier zu vertreiben, der sich wie Bodennebel vor seine Augen geschoben hatte.
»Na, erinnerst du dich jetzt?«
Schadeck schlug ihm mit einem rußgeschwärzten Briefumschlag direkt gegen die Stirn und fingerte dann ein nahezu vollständig verkohltes Blatt heraus. Wieder lag der Geruch verbrannten Papiers in der Luft.
»Kennst du diese Handschrift?«
Für N. H., las Caspar und musste nicken. Nicht, weil er sich an den geschwungenen Schriftzug erinnerte, sondern an den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens, der

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