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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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aussehende Kaffeetheke, wo ein Kellner hinter einer imposanten Kaffeemaschine mit Goldfilter Zeitung las. Auf der anderen Seite, dort, wo sich die gesamte Kundschaft drängte, befand sich die Bar, bestückt mit allen nur erdenklichen Spirituosen. Scharen von Trinkern hatten die umlaufende Messingstange abgewetzt, auf dem Fußboden lagen Glasscherben und Lotterielose. Beim Eintreten der Kinder schauten ein paar Gäste herüber, mehrere hatten schon rote Gesichter und glasige Augen.
    Das Witch’s Brew war eine Trinkhalle für Hartgesottene und die Kundschaft widmete sich auch am Vormittag schon seit vielen Stunden ihrer Trinkleidenschaft.
    »Da schau her«, sagte der baumlange Ire hinter der Bar, »wenn das nicht die kleine Miss Muffet und der kleine Lord Fauntleroy sind!« Er schielte Furcht einflößend zu den Kindern hinüber. Er hatte Zähne so groß wie die Hornknebel an Dufflecoats, und sie sahen auch so aus: groß, mit Lücken dazwischen und merkwürdig gerundet. Ein beunruhigender Anblick.
    Bevor Sascha der Mut verließ, trat er an die Bar und hielt den Eimer hoch. »Bitte vollmachen«, sagte er in forschem Ton, als sei er ein Erwachsener, der Besseres zu tun hatte, als mit Barmännern Sprüche zu klopfen.
    »Ja wie? Jetzt? Komm doch in acht Jahren wieder, dann mache ich das gern für dich.«
    Ehe Sascha etwas erwidern konnte, zeigte der Mann auf ein handgeschriebenes Schild, das am Spiegel hinter ihm hing. Nach der Rechtschreibung zu urteilen, musste es von derselben Person stammen, die auch das Schild am Trümmergrundstück geschrieben hatte.
    KAIN AUSSCHANK AN MINDERJÄRIGE
    »Ich zweifle nicht«, versicherte der Barmann mit ausgesuchter falscher Höflichkeit, »dass so gepflegte junge Herrschaften ein Verbotsschild ohne meine Hilfe lesen können. Und gewiss wollt ihr mir keine Scherereien mit der Polizei bereiten. Nein, so etwas liegt euch ganz fern. Also wäre es wohl das Beste, ihr trollt euch wieder. Grüßt mir Polizeipräsident Keegan und erinnert ihn daran, dass ich diesen Monat schon gezahlt habe. Pünktlich wie immer. Wenn er unbedingt den feinen Damen von der Anti-Alkohol-Liga einen armen Schankwirt opfern will, dann bitte nicht mich!«
    Mit hängenden Schultern wandte sich Sascha ab und wollte gehen. Doch Lily nahm ihm den Eimer aus der Hand und trat an die Bar, als ob der Gang in Hell’s Kitchens berüchtigste Säuferoase zu ihren täglichen Pflichten gehörte.
    »Aber wir kommen doch gar nicht von Commissioner Keegan«, sagte sie mit gewinnendem Lächeln. »Wir sind Inquisitor Wolfs Lehrlinge. Er hat uns geschickt und gesagt, Sie sollen diesen Eimer oder Kessel oder wie Sie das nennen füllen!«
    Auf dem Gesicht des Barmanns erschien ein Lächeln, das seine Hornknebel bis zum Zahnfleisch entblößte. »Ah, Inquisitor Wolf!«, rief er. »Warum habt ihr das nicht gleich gesagt? He, Joe. Wirf die Dicke Berta an! Wolf hat nach seinem Morgenkaffee geschickt!«
    Gegenüber machte sich der Mann mit der Schürze an der großen Kaffeemaschine zu schaffen. Ein paar Minuten später war der Eimer randvoll mit dem schwärzesten Kaffee, den Sascha jemals gesehen hatte, und er und Lily machten sich wieder auf den Rückweg zur Polizeibehörde. Sascha war so erleichtert über den Ausgang des Ganzen, dass er erst merkte, dass sie falsch abgebogen waren, als ihn ein Baseball am Kopf traf.
    Lily fing den abprallenden Ball noch im Flug, doch Sascha blieb keine Zeit, sich darüber zu wundern, denn schon wurden sie von einer johlenden Truppe umzingelt. Freilich waren das keine echten Hexer – Sascha erkannte das sofort –, sondern eher künftige Straßengangster, die sich aber nicht zu schade waren, zwei Kinder zu verdreschen. Einer von ihnen, ein knollennasiger Halbwüchsiger, ließ trotz seines jugendlichen Alters schon den künftigen Türsteher erkennen. Er versetzte Sascha einen Schlag gegen die Brust, dass dieser nach hinten taumelte. Hinter Sascha stand schon ein anderer, der ihn auffing und ihn wieder nach vorn stieß. So machten sich beide einen Spaß daraus, Sascha wie einen Ball vor- und zurückzuschleudern. Zum Glück wurde ihnen das Spiel schnell langweilig, und sie überlegten, was man noch anstellen könnte.
    »Verkaufen wir ihnen doch ein Tombola-Los!«, rief einer.
    »Au ja, ein Tombola-Los!«
    »Wer hat ein Los?«
    »Wer hat einen Hut?«
    »Puh! Dein Hut stinkt, Riley! Wäschst du dich denn nie?«
    »Waschen ist nur was für Mädchen!«
    Bald waren Hut und Lose – schmutzige Zeitungsfetzen –

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