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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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präpariert, und nun war Sascha an der Reihe. Er war schon oft von Straßenjungen verdroschen worden. Er wusste, was er zu tun hatte, und fügte sich seufzend in sein Schicksal. Lily hingegen schien das neu zu sein.
    »Wollt ihr uns nicht zuerst sagen, was das kostet?«, erkundigte sie sich. »Und was wir gewinnen können? Und vor allem, warum sollen wir euch überhaupt etwas abkaufen?«
    »Weil wir die Hexer sind.«
    »Ja und?«
    »Ja weißt du denn nicht, was Hexer tun?«
    »Leuten irgendetwas Schäbiges anhexen, nehme ich an.«
    Vor Zorn verengten sich die Augen des Jungen zu schmalen Schlitzen. »He, Rattenzahn«, rief er, ohne die Augen von Lily zu lassen. »Zeig ihr doch mal, was du alles kannst.«
    Ein dürrer Kerl trat aus dem Kreis der Hexer und grinste bedrohlich. »Was soll es denn sein, Joe? Nesselausschlag oder Furunkeln?«
    Joe betrachtete Lily eingehend, als wollte er abwägen, welches Leiden ihr am meisten zu schaffen machen würde. Ehe er antworten konnte, mischte sich ein dritter Junge ein.
    »Hast du nichts Besseres auf Lager, Rattenzahn? Seit Monaten immer nur Ausschlag oder Furunkeln. Wir machen uns ja zum Gespött der Nachbarschaft, wenn dir nicht bald mal was Neues einfällt!«
    »Hab ich dich um deine Meinung gefragt?«, zischte Joe böse. Dann wandte er sich wieder an den dürren Hexer: »Hex ihr einen Ausschlag an, Rattenzahn!«
    »Hört mal«, mischte sich Sascha ein, »wir könnten uns doch einigen …«
    Doch es war schon zu spät. Während Sascha noch sprach, breiteten sich rote Striemen auf Lilys zarter Pfirsichhaut aus. »Oh!«, schrie sie auf und hob die Hände vors Gesicht.
    »Aber, aber, Jungs«, ließ sich eine Stimme hinter Sascha vernehmen. »Behandelt man so eine junge Dame?«
    Ihr Retter, der vielleicht ein paar Jahre älter als Lily und Sascha war, war ein gut aussehender Bursche. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht und unglaublich blaue Augen, aus denen der Schalk funkelte. Er entsprach in allen Punkten dem Bild des netten irischen Jungen, den sogar Saschas Mutter ins Herz schließen würde.
    Ein vorsichtiger Blick hinüber zu Lily zeigte Sascha, dass ihr Ausschlag schon wieder verschwunden war. Lily schien vor Dankbarkeit fast ohnmächtig zu werden.
    »Danke!«, hauchte sie. »Vielen Dank, äh …, Mister …, ich kenne Ihren Namen ja gar nicht.«
    Nie hätte Sascha gedacht, dass sie sich so albern benehmen könnte.
    Der junge Mann machte eine ironische Verbeugung. »Paddy Doyle, stets zu Diensten, Miss.«
    Sascha runzelte die Stirn. Den Namen hatte er schon mal gehört. Doch ihm fehlte die Muße, länger darüber nachzudenken, denn die Hexer machten jetzt ihrer Empörung und Enttäuschung Luft.
    »Paddy!«, bellte Joe. »Du lässt sie doch wohl nicht ungeschoren davonkommen, bloß weil sie ein Mädchen ist?«
    »Aber nicht doch.« Paddys blaue Augen richteten sich nun auf Sascha, und obwohl er immer noch lächelte, war ihr Ausdruck nicht mehr halb so freundlich wie noch vor einem Augenblick. »Die Lose kosten fünf Cent das Stück. Das macht zehn Cent, wenn du für die junge Dame zahlst.«
    »Wie?«, entrüstete sich Lily. »Dann tun Sie also nichts gegen diese … diese Hooligans?«
    »Gnädigste«, erklärte Paddy mit irischem Charme, »ich gehöre zu den Hooligans.«
    Er lächelte Sascha und Lily an und schien sich zu überlegen, wie er mit ihnen verfahren wolle. Sascha machte sich jedenfalls keine Illusionen. Man wurde nicht Anführer einer Straßenbande, indem man Revierfremde unbehelligt durch das eigene Territorium spazieren ließ.
    Sascha zuckte nur die Schultern und kramte in seinen Hosentaschen nach dem Geld für die U-Bahn. Ehe er die Münzen beisammenhatte, machte Lily den Mund auf.
    »Wie können Sie nur so ein Schurke sein?«, fragte sie Paddy herausfordernd, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Das ist der Lauf der bösen Welt«, meinte er fröhlich.
    Lilys Augen verengten sich und einen Augenblick lang stand sie Paddy in Bravour nicht nach. »Mag sein«, erwiderte sie, »aber ich werde kein dämliches Lotterielos kaufen.«
    Paddys Lächeln dehnte sich zu einem breiten Grinsen. »Hast du eine bessere Idee?«
    »Ja, habe ich.«
    Sie hielt immer noch den Baseball in der Hand, den Sascha abbekommen hatte. Jetzt drückte sie ihn dem nächststehenden Hexer in die schmierige Hand und nahm dessen verblüfft schauendem Nachbarn den Schläger ab. »Ein Wurf«, sagte sie. »Wenn ich nicht treffe, schulden wir euch einen Nickel. Wenn ich aber treffe, schuldet

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