Der Seelenfänger
auf dem Zeltplatz rangierte. »Noch einer?« fragte er.
Joe nickte. Es standen schon zwei weitere, etwas kleinere Lastwagen neben dem Zelt. »Die gehen kein Risiko ein. Die haben so viele Generatoren mitgebracht, daß sie das halbe Land mit Strom versorgen könnten. Gemessen an dem, was die hier verpulvern, waren die zehntausend Dollar, die uns der alte Randle gegeben hat, noch nicht mal ein Trinkgeld.«
»Kann schon sein«, sagte Preacher. »Wie läuft’s denn im Zelt?«
»Die Mädchen müssen sich umziehen. Statt weißer Kleider sollen sie hellblaue anziehen«, sagte Joe. »Sie sagen, fünfzig Prozent aller Zuschauer besäßen Schwarzweißgeräte, und da käme Weiß bloß als schmutziges Grau.«
Preacher schlug die Zeltklappe hoch und trat ein. Der ganze Innenraum war verändert. Die hölzernen Bänke waren durch velourbespannte, goldglänzende Sessel ersetzt worden. Die Bretter waren völlig mit rotem Teppichboden bedeckt. Überall standen Scheinwerferbatterien, und über dem Podium hatten die
Fernsehleute eine riesige Beleuchterbrücke errichtet. Die große Leinwand mit Preachers Foto und den Worten »JESUS BRAUCHT DICH« war abgehängt worden. Statt dessen hing jetzt eine riesige, weißsilberne Diorama-Wand hinter dem Podium, auf die während des Gottesdienstes die verschiedensten Bilder projiziert werden sollten.
Preacher suchte sich einen Weg durch die Kabel, die überall auf dem Boden herumlagen, um Marcus Lincoln zu begrüßen, der mitten im Zelt stand und einer Reihe von Männern Anweisungen gab. Lincoln machte ihn mit Jim Woden, dem Regisseur, Perry Smith, dem Chefkameramann, und Mike Bailey, dem Assistenten, bekannt, der zugleich für das Drehbuch zuständig war.
»Na, was sagen Sie, Reverend?« fragte er und zeigte mit einer weitausholenden Geste auf die neue Inneneinrichtung des Zeltes, die Kameras und die Scheinwerfer.
»Ich hätte nie gedacht, daß es soviel Arbeit macht, einen schlichten Gottesdienst zu filmen, Mr. Lincoln«, erwiderte Preacher.
»Es geht nicht nur darum, den Gottesdienst und die Versammlung zu filmen«, sagte Jim Woden, der Regisseur. »Wir müssen auch gutes Fernsehen machen. Die Sendung geht ja über die verschiedensten Kanäle zu den verschiedensten Zeiten hinaus, und man weiß nie, was die Konkurrenz gerade zeigt. Wenn wir die Leute nicht wirklich zu fesseln verstehen, schalten sie einfach auf ein anderes Programm um und sehen sich die zehnte Wiederholung von Rauchende Colts an.«
»Fernsehzuschauer sind nicht so geduldig wie die Leute im Zelt hier«, fügte Lincoln hinzu. »Wer zum Gottesdienst kommt, der weiß, was er will. Die Fernsehzuschauer sitzen einfach im Sessel und brauchen bloß die Knöpfe der Fernbedienung zu drücken, dann kommt alles, was sie wollen, zu ihnen.«
»Haben Sie denn das Skript schon fertig, Reverend? Ich meine - die Predigt?« fragte Bailey dazwischen. »Ich will ja nicht drängeln, aber wir brauchen den Text für das Drehbuch, damit wir die Einstellungen festlegen können.«
»Beverly tippt gerade den Text ab, Mr. Bailey«, erwiderte Preacher. »In einer halben Stunde ist sie bestimmt fertig damit. Aber das sage ich Ihnen gleich: Ein ausgearbeitetes Manuskript ist das nicht. Nur ein paar Notizen als Gedächtnisstützen für mich.«
»Das genügt, Reverend«, sagte Bailey.
»Wir haben übrigens ein paar Vorschläge«, sagte Lincoln, »wie man das Programm noch mehr profilieren könnte.«
»Verbesserungsvorschläge sind mir immer willkommen«, sagte Preacher. »Lassen Sie hören.«
»Zu Beginn der Sendung könnte man zeigen, wie die Autos von der Straße auf den Platz fahren und die Leute ins Zelt strömen. Als Luftaufnahme«, sagte Woden. »Ein Hubschrauber steht schon bereit.«
»Prima. Das ist eine gute Idee«, sagte Preacher. »Keine Einwände.«
»Außerdem finden wir, daß die Fässer mit dem heiligen Wasser ziemlich kitschig aussehen. Und den Kameras sind sie im Weg.«
»Aber ich brauche das Wasser«, entgegnete Preacher. »Wie soll ich die Leute dazu bringen, sich taufen zu lassen, wenn ich kein Wasser habe?«
»Das ist mir schon klar, Reverend«, sagte Woden respektvoll. »Aber wenn sich die Leute vor den Holzfässern drängen, kann im Fernsehen kein Mensch mehr richtig sehen, was eigentlich vorgeht. Auf dem Bildschirm sieht das so aus, als ob Ameisen aufeinander herumkriechen.«
Preacher dachte einen Augenblick nach. »Ich wüßte aber nicht, wie ich es sonst machen könnte.«
»Sie haben doch hinter dem Zelt diesen
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