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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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Teufel gehetzt. Sie war ganz außer Atem, und die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Kaum hatten wir uns begrüßt, sagte sie auch schon zu mir, ich müsse ihr helfen. Sie habe mir schließlich auch einmal geholfen. Wobei soll ich dir helfen? , fragte ich sie. Da schlug sie einen Zipfel des Leintuchs zurück, und ich entdeckte, dass ein Säugling, ein Knabe darin eingeschlagen war; er schlief. Du musst dieses Kind zu meiner Schwester bringen , sagte sie. Ich war völlig überrascht. Und auch erschrocken, weshalb ich sie fragte, was denn los sei. Da sagte sie mir, ich solle nicht danach fragen. Ich solle einfach nur das Kind nehmen und es zu ihrer Schwester bringen. Wo wohnt deine Schwester? , wollte ich wissen. Im Steyrischen , antwortete sie, in der Nähe von Admont. Dahin wollt ihr doch ohnehin, du und deine Truppe . Das stimmte. Ich hatte ihr bei unserem letzten Besuch erzählt, dass wir unsere Route wechseln wollten. Und dass wir wohl nur noch einmal in Landsberg gastieren würden. Danach, so hatte Rufus beschlossen, würden wir ins Steyrische gehen; es täte uns allen gut, wieder einmal in eine andere Gegend zu kommen, hatte er gemeint. Ich fragte sie, wie sie sich das denn vorstelle, es würde noch eine gute Weile dauern, bis wir dorthin kämen, erst im späten Herbst sei es so weit.
    Dann nimm das Kind so lange zu dir, und wenn ihr dort seid, bring es zu meiner Schwester , bat sie mich und begann auf ein mal … zu weinen …“
    Mercedes schwieg abrupt. Wieder überwältigten sie ihre Gefühle und drohten ihre Stimme zu ersticken.
    Rasch nutzte Wolf die entstandene Pause zu einer Frage: „Ihr sagtet, die Magd hieß Wiltrud. Wenn Ihr mit ihr befreundet wart, kanntet Ihr doch sicher auch ihren Nachnamen. Erinnert Ihr Euch an ihn? Oder gibt es sonst noch etwas, das Ihr über sie wisst? Zum Beispiel, ob sie einen Mann hatte?“
    Mercedes schüttelte den Kopf. „Nein. Ihren Nachnamen kannte ich nicht. Aber dass sie keinen Mann besaß, weiß ich sicher. Zuerst glaubte ich, dass der Säugling ihr gehöre und ein Kind der Liebe sei, das Wiltrud heimlich fortgeben wolle, um nicht der Schande anheimzufallen. Doch als ich sie fragte, ob es sich so verhielte, schüttelte sie nur den Kopf. Nein, so sei es nicht, behauptete sie. Das Kind sei vielmehr in großer Gefahr. Jemand trachte ihm nach dem Leben. Darum müsse man es weit weg von hier bringen. Mehr könne sie mir aber nicht sagen. Und ich solle bei allen Heiligen endlich aufhören, weiterzufragen. Nimm einfach das Kind und bring es zu meiner Schwester. Es soll dein Schaden nicht sein, flehte sie mich unter Tränen an. Also willigte ich endlich ein.“
    Erneut schwieg die Tänzerin und starrte auf die Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte.
    „Ihr nahmt das Kind also noch am selben Abend entgegen?“, wollte Wolf wissen.
    Mercedes nickte.
    „Was meinte Wiltrud, als sie davon sprach, es solle nicht zu Eurem Schaden sein?“
    Die Tänzerin zögerte ein wenig, bevor sie antwortete.
    „Nun ja … sie gab mir Geld. Es war nicht wenig. Auch den Esel, den sie dabeihatte, durfte ich behalten. Er trug zwei – vielleicht waren es auch drei – eng verschnürte Ballen, in Leder eingenäht. Die sollte ich ebenfalls ihrer Schwester aushändigen. Zusammen mit einem versiegelten Brief.“
    Wolf merkte auf. „Ballen? In Leder eingenäht? Und einen Brief? Wusstet Ihr, was die Ballen enthielten? Oder was in dem Brief stand?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich fragte auch nicht danach.“
    Wolf nickte verstehend. „Und wie ging es weiter? Immerhin brachte der Knabe ja schließlich gute drei Monate in Eurer Obhut zu, bevor Ihr ihn abliefertet, nicht wahr?“
    Mercedes nickt nur. Ihr Blick hatte sich wieder in der Ferne verloren, und Wolf bemerkte, wie sich ihre Augen erneut mit Tränen füllten.
    „Ja“, fuhr sie leise fort. „Es waren drei Monate. Die drei schönsten Monate meines Lebens. Drei Monate hatte ich das, wonach ich mich immer gesehnt hatte – ein Kind. Schon nach wenigen Tagen war mir der Säugling ans Herz gewachsen, und schließlich liebte ich ihn wie meinen eigenen Sohn. Es gab zu dieser Zeit noch eine andere Tänzerin in der Truppe, die erst vor Kurzem geboren hatte. Ihre Brüste bargen so viel Milch, dass es auch für meinen kleinen Liebling reichte. Schnell hatte sich der Knabe an mich gewöhnt – und ich mich an ihn. Könnt Ihr Euch vorstellen, was der Gedanke, mich bald wieder von dem Kleinen trennen zu müssen, für mich bedeutete? Am

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