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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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Jungen gewahrt hatten. Und dass es diese Identität war, die den Grund und Anfang aller Ereignisse rund um den Mord an Paul und der Köhlerfamilie bildete. Das Verhalten Wiltruds und ihre Aussage, dass man dem Säugling nach dem Leben trachtete, waren Beweis genug für die Annahme, dass außerdem irgendjemand daran interessiert gewesen war, die Herkunft des Kindes zu verschleiern – seine Identität geheim zu halten, um es zu retten.
    Stimmten all diese Überlegungen tatsächlich mit dem damaligen Geschehen überein, musste auch ein weiterer Umstand als gegeben angesehen werden: Agnes und Arnulf wussten von Anfang an, dass der Knabe einen Feind hatte, der nach ihm suchen würde. Wiltrud musste ihrer Schwester mitgeteilt haben, dass sich das Kind in Gefahr befand und auch den Grund dafür. Doch hatten Hademar und seine Frau ebenfalls davon gewusst? Hatten die beiden Ehepaare sogar gemeinsam beschlossen, den Jungen zu schützen? Etwa dadurch, dass man alles, was seine Herkunft verraten konnte, vor dem Feind zu verbergen suchte? Die verschnürten Ballen und den versiegelten Brief, die Mercedes Agnes übergeben hatte? Die Fundstücke, die er in der Hütte Arnulfs und bei den Meilern in einem Erdloch gefunden hatte, fielen ihm wieder ein und damit auch die einzig logische Erklärung für den Umstand, dass sie vergraben worden waren. Die beiden Schmuckstücke konnten, ja mussten die Reste dessen sein, was die Gepäckstücke enthalten hatten, die Mercedes damals zusammen mit dem Knaben bei Agnes zurückließ! Weshalb aber waren Agnes und Arnulf diese verräterischen Gegenstände dann überhaupt erst überbracht worden? Immerhin stellten sie eine ernste Gefahr für den Jungen dar; waren sie doch zusammen mit dem Feuermal eindeutige Hinweise auf seine wahre Identität. Es gab nur eine einzige vernünftige Antwort darauf: Man wollte dem Knaben irgendwann seine eigentliche Herkunft enthüllen. Und dazu brauchte man die nötigen Beweise.
    An dieser Stelle seiner Überlegungen angelangt, schoss Wolf plötzlich das Leinen in den Sinn. Die Decke, in die der Säugling gehüllt gewesen war und die ebenso das Zeichen des „Ebers“ aus Rieden trug, wie die Schmuckstücke. Rieden! Wo lag der Ort überhaupt
    – etwa in der Nähe von Landsberg? Mercedes. Sie musste es wissen. Immerhin hatte sie seinerzeit die Gegend um den Lech herum durchzogen.
    Er zwang seine Gedanken in die Gegenwart am Ufer des Baches zurück und wandte sich wieder der Tänzerin zu. Die hatte mittlerweile die Augen geschlossen, schlief jedoch nicht, sondern schien in Gedanken weit in die Vergangenheit zurückgereist zu sein.
    „Mercedes?“
    Sie schreckte hoch und sah ihn an. „Ja, Herr?“
    „Kennt Ihr einen Ort – eine Stadt oder ein Dorf – mit Namen Rieden, das in der Nähe von Landsberg liegt?“
    „Aber ja. Woher wisst Ihr das, hoher Herr?“, fragte sie erstaunt.
    „Wie meint Ihr das: Woher ich was weiß? Dass es diesen Ort gibt?“
    Sie nickte heftig. „Ja, und dass Wiltrud dort wohnte!“
    Jetzt war es an Wolf, erstaunt zu sein.
    „Wiltrud? Sie wohnte dort? Nein, das wusste ich nicht. Ihr habt es bisher mit keinem Wort erwähnt“, antwortete er verblüfft.
    „Ihr habt nicht danach gefragt, Herr.“
    „Habt Ihr nicht gesagt, Wiltrud wäre aus Landsberg gewesen?
    Ihr habt sie doch immer dann getroffen, wenn Ihr nach Landsberg gekommen seid.“ „Ja, so war es auch. Doch Wiltrud wohnte in Rieden. Das liegt etwa zwei Stunden zu Fuß von Landsberg entfernt. Sie kam jede
    Woche zum Markt in die Stadt und wusste deshalb auch, wann ich mit der Truppe dort auftrete.“
    Wolf musterte sie mit durchdringendem Blick. „Mercedes, Ihr sagtet, dass Euch Wiltrud die Herkunft des Kindes verschwieg. Wisst Ihr wenigstens, woher es stammte – vielleicht aus Rieden?“
    „Nun, ich nahm es an. Woher sollte es wohl sonst sein? Aber ich habe nicht weiter danach gefragt. Es war mir letztlich auch gleichgültig. Wiltrud sagte, ich solle keine weiteren Fragen stellen. Also habe ich es dabei belassen.“
    „Ihr wusstet, dass Wiltrud in Rieden wohnte. Und dass sie dort als Magd diente. Wusstet Ihr auch, bei wem?“
    „Nein. Wir haben nie über ihre Herrschaft gesprochen. Ich weiß, das klingt seltsam, aber so war es.“
    Wolf nickte. Er dachte nach.
    „Seid Ihr nie in Rieden gewesen?“, fuhr er nach einer Weile fort.
    Die Tänzerin schüttelte den Kopf. „Nein, nie. Unser Weg führte stets daran vorbei.“
    Wieder nickte er nur. Dann öffnete er seine

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