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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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allerdings einige Sorge. Habt Ihr Euch schon die Frage gestellt, weshalb der Mann die Stiefel versteckt hat?“
    Der Graf sah ihn stirnrunzelnd an. Dann zuckte ein Wetterleuchten über seine Miene. Er hatte verstanden.
    „Richtig, verdammt noch mal“, bestätigte er zähneknirschend. „Es bedeutet, dass er genau das weiß, von dem wir glaubten, dass er es nicht weiß – nämlich, dass sein rechter Stiefel eine verräterische Spur hinterließ. Darum wollte er die Stiefel loswerden.“
    Wolf bejahte und fuhr dann fort: „Die Frage ist nur: Kam er selbst darauf, oder hat ihm jemand gesteckt, dass wir nach einem bestimmten Sohlenabdruck suchen?“
    „Aber wer, Wolf, wer? Über diese Sache wussten nur Ihr, ich und mein Neffe Bescheid“, warf der Graf verzweifelt ein.
    Geistesabwesend blickte Wolf ins flackernde Licht der Fackeln. „Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Ich hätte früher darauf kommen sollen“, meinte er langsam.
    „Ach, und welche?“, wollte der Graf wissen.
    „Lisa“, antwortete Wolf.
    „Lisa?“
    „Ja. Sie sah mir zu, als ich die Spur zeichnete. Allerdings sagte ich zu ihr, sie solle niemandem etwas davon erzählen. Aber wer weiß, ob sie Wort gehalten hat.“
    „Ich denke, das solltet Ihr sie schleunigst fragen.“
    „Das werde ich, verlasst Euch darauf. Noch bevor ich nach Admont aufbreche.“
    Wolfs Verdacht bestätigte sich nicht – Lisa hatte geschwiegen. Kein Wort habe sie irgendjemandem erzählt, auch nicht andeutungsweise oder aus Unachtsamkeit, beteuerte sie, und Wolf glaubte ihr.

19
    Wie immer versah Bruder Theobald den Pförtnerdienst, als Wolf kurz nach der Non im Kloster eintraf und vor dem oberen Tor aus dem Sattel glitt.
    „Oh, Herr von Klause, gut, dass Ihr da seid“, rief ihm Theobald durch das Fenster des Pförtnerhäuschens zu und eilte ihm gleich darauf entgegen. „Ihr wisst es sicher noch nicht. Bertram hatte einen kleinen Unfall. Nichts Schlimmes, nur eine Fleischwunde. Er liegt drüben im Infirmarium. Ich denke, dort trefft Ihr auch Fräulein von Klingfurth. Sie war bei ihm, als es geschah“, berichtete er wichtigtuerisch.
    Wolf war kreidebleich geworden.
    „Was sagt Ihr da?“, stieß er mühsam hervor.
    „Beruhigt Euch. Ich sagte es bereits: nichts Schlimmes. Der Junge wird Euch selbst berichten. Seid versichert, es geht ihm wieder ausgesprochen gut. Ihr könnt Euch davon überzeugen, wenn Ihr hinübergeht.“
    Wolf überließ den Rappen kurzerhand sich selbst und eilte stehenden Fußes zum nördlichen Trakt der Klosteranlage, in dem das Krankenhaus des Stiftes untergebracht war. Mit einem Ruck riss er die Tür auf und stürmte in das Gebäude hinein. In einer geräumigen Nische entdeckte er Bruder Magnus, einen freundlichen und in den ärztlichen Künsten außerordentlich wohlbewanderten Mönch.
    „Oh, Herr von der Klause. Ihr wollt sicher zu dem Jungen, nicht wahr?“, rief er Wolf zu.
    „Ja, wo finde ich ihn?“, fragte Wolf kurz angebunden.
    „Wenn Ihr die Treppe ins erste Geschoss hinaufgeht, linker Hand den Gang entlang, das fünfte Zimmer auf der rechten Seite“, informierte ihn der Mönch.
    Zwei, drei Stufen auf einmal nehmend, sprang Wolf die Stufen empor.
    „Das edle Fräulein ist auch bei ihm!“, rief ihm Bruder Magnus noch nach. Er grinste.
    Noch hatte Wolf nicht alle Stufen erklommen, als er hörte, wie oben eine der Türen ging, die zum Flur hin lagen. Schritte näherten sich der Treppe.
    Katharina!
    Für den Bruchteil eines Augenaufschlags vergaß er den Grund, der ihn hierher geführt hatte, und ihm wurde bewusst, wie sehr er diese Frau in den zurückliegenden Tagen, an denen er auf Reisen gewesen war, vermisst hatte. Das üppige blonde Haar kunstvoll hochgebunden, trug sie wieder die eng anliegende blaue Cotte, die ihre vollendeten Formen in einzigartiger Weise zur Geltung – und sein Blut in Wallung brachte.
    Rasch sprang er die restlichen Stufen zu ihr empor.
    Ganz nah stand sie vor ihm – eine einzige herrliche Verheißung. War das dieselbe Frau, die ihm vor ein paar Wochen noch so unnahbar erschienen war? Deren Souveränität sie wie eine uneinnehmbare Festung hatte wirken lassen?
    „Katharina!“, stieß er heiser hervor.
    „Wolf!“
    Sie hatte seinen Namen nur gehaucht, und doch spürte er, wie alles an ihr nach ihm rief. Ihr Atem, der Duft ihres Haares, ihre Blicke – ihre ganze Gegenwart …
    Bertram!
    Der Gedanke an den Jungen und das, was mit ihm geschehen war, drängte sich wieder in sein Bewusstsein und wirkte

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