Der Seelenhändler
schlecht. Von den beiden hatte er allenfalls den Grafen erwartet, nicht jedoch Wolf von der Klause. Jedermann kannte ihn als zurückhaltenden, vornehmen Mann, der sich trotz seiner guten Beziehungen zur stiftischen Herrschaft nicht zu schade war, auch einem armen Bauern helfend zur Seite zu stehen.
Der Hauptmann führte den Gefangenen nahe an den Tisch heran, um gleich darauf Posten neben dem Eingang zu beziehen, wo er in strammer Haltung stehen blieb.
Moritz grüßte mit einer tiefen Verbeugung und starrte mit angsterfülltem Blick auf die Männer.
Wolf hatte beschlossen, ohne große Umschweife zur Sache zu kommen.
„Woher hast du die Stiefel, Moritz Prechtel?“, begann er langsam und ruhig das Verhör.
Prechtel war im Moment zu verdattert, als dass er sofort begriffen hätte, worum es eigentlich ging.
„Die Stiefel, Herr? … Welche Stiefel? … Ach, ja … natürlich … die Stiefel … Nun, Herr … ich … ich habe sie gefunden. Bitte, glaubt es mir … Ich habe sie wirklich gefunden … Sie sind nicht gestohlen … So etwas würde ich nie tun!“
„Wo hast du sie gefunden, Moritz?“
„Nun … oben … oberhalb meines Hofes … droben im Fuchswald.“
„Aha, im Fuchswald.“ Wolf machte eine Pause.
Moritz zitterte. Was sollte das Ganze? Sollte er bestraft werden, weil er ein Stiefelpaar sein Eigen nennen wollte, das er durch puren Zufall gefunden hatte?
„Kannst du uns erklären, wie und wo du sie genau gefunden hast?“, hakte Wolf nach.
„Aber ja doch, Herr … das kann ich … Natürlich … Also, das war so: … Gestern Morgen – es war doch gestern … nicht wahr? … Also, gestern kam Mattis … Ihr müsst wissen, Mattis ist mein Sohn … er ist … fünf … fünf Jahre alt … also, da kam mein Sohn und sagte mir … Wollie sei in eine Spalte gefallen … droben im Fuchswald … sagte er … und ich müsse ihm helfen, es wieder herauszuziehen … Und da bin ich … da bin ich mit ihm nach oben gegangen … zum Fuchswald … und da …“
„Wer ist Wollie?“, unterbrach Wolf den Bauern.
„Ach ja … verzeiht … ich vergaß es zu sagen … Wollie ist das Lamm meines Sohnes“ – die Andeutung eines Lächelns huschte über das Gesicht des Bauern.
„Gut, du gingst also mit deinem Sohn zum Fuchswald hinauf. Und weiter?“
„Da hörte ich es schon blöken … Bei einer Esche … da fand ich es … Das Lamm war tatsächlich in eine Spalte gerutscht … etwa … etwas mehr als ein halbes Klafter tief … war sie … die Spalte … Da zog ich es heraus … und dann … und dann sah ich, dass da … dass da noch etwas war … Unter Reisig und Ästen … Ich langte noch mal hinein … und zog es heraus … Es waren die Stiefel.“
„Und da beschlossest du, sie gleich zu behalten, nicht wahr?“
Moritz nickte. „Ja, Herr“, bestätigte er und sah betreten zu Boden.
„Ich möchte die Stelle sehen. Vielleicht morgen. Ich nehme an, dass du sie wiederfindest?“
Wieder nickte Moritz. Er blickte auf. „Aber ja Herr, sicher doch.“ Hoffnung begann in ihm aufzukeimen.
Wolf sah den Bauern eine Weile schweigend an.
„Sag, Moritz, hast du, nachdem du die Stiefel gefunden hast, ein Bad in der Enns genommen?“, fragte er ihn unvermittelt.
Moritz riss die Augen auf. „Ein Bad? In der Enns? Nein, Herr! Warum sollte ich?“
Auch der Graf zeigte sich ob der seltsamen Frage überrascht, sagte aber nichts.
Wolf nickte nur. „Ja, natürlich, warum solltest du“, murmelte er nachdenklich.
Er wandte sich an den Saurauer. „Habt Ihr noch eine Frage, Graf?“
Friedrich schüttelte den Kopf. „Nein. Keine. Die Sache scheint ja wohl klar zu sein“, entgegnete er gereizt und wandte sich an den Bauern. „Moritz Prechtel, du bist frei. Warte droben im Burghof. Rupert, mein Diener wird dich für die erlittene Unbill entschädigen.
– Kuno, bring ihn nach oben!“ „Ja, edler Herr.“ Kuno verbeugte sich. „Edler Herr … heißt das, ich bin wirklich frei?“ Moritz konnte die
glückliche Wendung der Ereignisse kaum fassen.
„Ja, ich sagte doch. Du kannst gehen“, wiederholte der Graf unwirsch.
„Ich … ich danke Euch … edler Herr. Tausend Dank“, rief der Bauer erleichtert. Eilig folgte er dem Hauptmann über die Treppe nach oben.
Missmutig rieb sich der Graf die Hände. „Wir sind also keinen einzigen Schritt weiter“, resümierte er.
„Das sehe ich anders, Graf. Wir wissen jetzt, dass unser Mann einen deformierten Fuß besitzt. Ein anderer Umstand bereitet mir
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