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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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der Herberge hatten verschwinden sehen. Er hatte die Arme auf dem Tisch verschränkt, seinen Kopf darauf gebettet und schien zu schlafen. Neben seinem Haupt befanden sich die Reste einer Mahlzeit, des Weiteren ein Krug, der allerdings leer zu sein schien. Auch das Messer des Mannes und die dazugehörende Lederscheide lagen auf dem Tisch. Das Messer hatte er allem Anschein nach zum Essen benutzt, denn die Klinge glänzte fett und schmierig.
    Wolfs Blick wanderte nach links zu einem aus rohen Balken gefertigten Gebilde, das als Tresen zu dienen schien. Dahinter stand schweigend der Wirt, einen gefüllten Krug in der Rechten. Er sagte nichts, doch sein zahnloses Grinsen konnte mit einiger Mühe durchaus als Willkommensgruß für den neuen Gast gedeutet werden.
    „Guten Tag“, grüßte Wolf freundlich. „Du bist der Wirt?“
    Der Mann trat hinter dem Tresen hervor und grunzte bestätigend; das zahnlose Grinsen verbreiterte sich.
    „Hast du ein Plätzchen für mich und vielleicht auch einen kühlen Krug Bier?“
    „Aber natürlich, Euer Gnaden. Wenn Ihr hier Platz nehmen wollt?“, antwortete der Wirt mit schnarrender Stimme. Er deutete mit der Hand auf den Tisch, vor dem der Schlafende saß, und verschwand über eine Leiter in einem Erdloch, das wohl ein Keller sein mochte.
    Wolf setzte sich an den Tisch auf die Bank gegenüber dem Gast. Befriedigt stellte er fest, dass der Platz idealer nicht hätte sein können, hatte er von hier aus nicht nur den Eingang im Blick, sondern durch die offen stehende Tür auch einen Teil des Hofes und sogar ein Stück des Pfades.
    Der Wirt erschien wieder. „Hier, Euer Bier, hoher Herr“, krächzte er und stellte den Krug auf dem Tisch ab.
    Wolf nahm einige kräftige Schlucke und wunderte sich. Das Bier war tatsächlich kühl und schmeckte wider Erwarten köstlich frisch. Er setzte den Krug ab und wischte sich den Mund. Seine Augen hat-ten sich inzwischen an das Dämmerlicht gewöhnt; interessiert musterte er den Mann, der ihm gegenübersaß und noch immer schlief. Obwohl sein Gesicht zum Teil verdeckt war, vermochte er das Alter des Fremden recht gut zu schätzen, er schien nicht älter als fünfunddreißig bis vierzig Jahre zu sein. Dem Körperbau nach zu urteilen war er muskulös und kräftig.
    Gerade wollte Wolf sich einen weiteren Schluck Bier genehmigen, als er einen Gegenstand wahrnahm, dessen Anblick ihm den Atem stocken ließ: Auf der ledernen Messerscheide des Mannes, die sich neben den Essensresten befand, prangte – wohl mit einem Eisen eingebrannt und nicht zu übersehen – ein Ring, der ein auf dem Kopf stehendes Kreuz umschloss – das Zeichen des „Ordens vom Ring“!
    Heftige Erregung ergriff Wolf, zugleich war er ungeheuer erleichtert. Also doch!
    Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er überlegte kurz, dann stand er auf, um sich hinaus in den Hof zu begeben. Der Wirt lief ihm hinterher; trotz seiner Leibesfülle schien er flink wie ein Wiesel zu sein.
    „Ihr habt noch nicht bezahlt, Herr“, rief er vorwurfsvoll.
    „Keine Angst, mein Lieber. Ich muss nur kurz mal an die frische Luft.“
    Wolf trat vor die Tür und entnahm seiner Gürteltasche ein Stück Blei. Dann zog er die Scheide seines Messers vom Gürtel und malte mit fliegenden Fingern das Zeichen des Ordens auf die faserige Rückseite des Leders. Mit einem Stück Holzkohle, das er in einem Aschenhaufen rechts der Tür fand, zog er die Kontur nach.
    Als er die Kneipe wieder betrat, bemerkte er, dass der Mann erwacht war. Er gähnte und streckte die Glieder.
    Wolf trat an den Tisch heran.
    „Einen schönen guten Tag“, grüßte er freundlich.
    Der Fremde nickte nur kurz und sah Wolf misstrauisch an.
    „Darf man fragen, wohin dich dein Weg führt, Kamerad?“, fragte Wolf leutselig und setzte sich.
    Der Mann zuckte mit den Schultern. „Was geht es dich an?“, entgegnete er unfreundlich.
    „Oh, du bist wohl nicht zum Plaudern aufgelegt. Aber ich kann’s verstehen. Schließlich liegt eine lange Reise hinter dir, nicht wahr?“
    Der Mann entgegnete nichts. Argwöhnisch betrachtete er sein Gegenüber.
    In diesem Moment zog Wolf seine Messerscheide hervor und legte sie so vor sich auf den Tisch, dass sein mürrischer Gesprächspartner nicht umhinkam, einen Blick darauf zu werfen.
    Der Erfolg war durchschlagend.
    Ein plötzliches Erkennen glitt über die Miene des Mannes, und er beugte sich über den Tisch zu Wolf hinüber.
    „Na endlich, verdammt“, zischte er. „Das hat aber lange gedauert. Ich dachte

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