Der Seelenhändler
Windischgarstener Berge vorstoßen würde. Ein Vorhaben, von dem bis jetzt nur er, der Graf und Katharina wussten. Und ginge es nach ihm, sollte es auch so bleiben. Selbst die beteiligten Soldaten würde man erst unmittelbar vor dem Einsatz über das eigentliche Ziel in Kenntnis setzen.
Polo schien noch immer erstaunt zu sein. „Nun … wenn das so ist …“, sagte er nur und fasste sich nachdenklich ans Kinn.
Die Nacht war heraufgezogen. Und mit ihr der Mond. Glänzend spiegelte er sich in den dunklen Fluten der Enns.
Ein gutes Stück außerhalb der Stadt, dort, wo der Fluss eine sanfte Biegung beschrieb, war die schwarze Silhouette eines am Ufer kauernden Mannes auszumachen.
Wolf von der Klause blickte nachdenklich auf das träge dahinfließende Gewässer und versuchte in Gedanken, die Ereignisse des vergangenen Tages zu ordnen.
Unmittelbar nach dem Dialog, der zwischen ihm und Polo geführt worden war, hatte man die Debatte im Gästesaal beendet. Jakob von Schmelzer hatte anschließend zu einem Rundgang durch die Stadt geladen und später ein opulentes Mahl auftischen lassen, dem reichlich zugesprochen worden war. Doch nichts konnte darüber hinwegtäuschen, dass das Verbrechen an den drei Venezianern und der Frust über das entgangene Geschäft nach wie vor wie ein dunkler Schatten auf der Gesellschaft lasteten.
Wolf und Katharina hatten sich während der ganzen Zeit zurückgehalten, allzu vertraulich miteinander umzugehen. Was nicht bedeutete, dass sie nicht miteinander gesprochen hätten. Allerdings hatte Wolf beschlossen, über den Grund seines seltsamen Verhaltens während der Debatte am Nachmittag auch ihr gegenüber zu schweigen. Und Katharina war sensibel genug gewesen zu erkennen, dass er dafür wohl Gründe hatte, und diese stillschweigend akzeptiert.
Irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit schließlich hatten sich die Admonter auf die luxuriös ausgestatteten Gästezimmer zurückgezogen, um sich zur Ruhe zu begeben.
Bis auf Wolf.
Noch bevor die Stadttore schlossen, hatte er kurzerhand den Rappen bestiegen und war, die Mauern Steyrs hinter sich lassend, ein kurzes Stück flussaufwärts geritten. Er empfand das dringende Bedürfnis, noch einmal in Ruhe über alles nachzudenken, wofür ihm der abgeschiedene Platz an der Enns geeigneter schien als eines der Gästezimmer im Schmelzer’schen Stadthaus. Zwar hatte sich der Aufruhr in seinem Innern schon seit Stunden gelegt; dennoch trieb ihn die Erkenntnis, die während der nachmittäglichen Besprechung so plötzlich und brachial in sein Bewusstsein gedrungen war, immer noch um.
Ein einziger Satz hatte genügt, um eine der beiden Schachpartien in seinem Kopf ihrem Ende zugehen zu lassen.
Nur noch wenige Bewegungen, und das Spiel war entschieden.
Zu seinen Gunsten.
Denn er war am Zug!
24
Noch lag dichter Nebel über den Auen; ein undurchdringlicher, milchiger Brodem, der die Landschaft einhüllte und ihr sämtliche Konturen stahl.
Noch in der Nacht waren sie aufgebrochen, um Sankt Gallen in südlicher Richtung zu verlassen: Wolf, Friedrich von Saurau, Arnim von Hallstatt und fünf gut bewaffnete Männer; Soldaten des Grafen, die sich durch ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit auszeichneten, unter ihnen auch Kuno Helfrich, der neu ernannte Erste Hauptmann der Gallensteiner Waffenknechte. Sie waren gut vorangekommen. Bereits jetzt, es mochte um Prim herum sein, befanden sie sich nicht weit entfernt von ihrem Ziel, dem Gasthaus „Zum Bären“, am Weg zwischen Admont und Rottenmann und ein gutes Stück vor Bärndorf gelegen.
„Wie wollt Ihr eigentlich in dieser verdammten Brühe den Weg zu dieser seltsamen Herberge finden?“, wandte sich Arnim, der dicht hinter Wolf ritt, skeptisch an diesen.
„Da macht Euch mal keine Sorgen. Wir werden gleich an einen Steg kommen, der über den Bach führt. Unmittelbar danach zweigt ein Weg in Richtung Westen ab. Den nehmen wir. Etwa zwei Meilen weiter stößt man dann auf das Wirtshaus. Ohne die weiße Brühe um uns herum würde man es schon von Weitem sehen. Es liegt zur Rechten des Weges an einem Felshang. Links des Weges gibt es einen kleinen Wald. Dort verstecken wir uns. Seht den Nebel als unseren Verbündeten an. In seinem Schutz kommen wir an unser Ziel heran, ohne dass uns jemand sieht.“
„Hätte es denn nicht genügt, zwei Stunden später loszureiten? Schließlich wollen sich die Banditen doch erst so gegen Sext treffen“, knurrte der Graf und gähnte. Er war sichtlich
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