Der Seelenhändler
schon, du kommst nicht mehr. Warum gibst du dich nicht gleich zu erkennen! Hat dich der Schwarze allein geschickt? Wer bist du überhaupt? Auf dem Plateau hab ich dich nicht gesehen. Und bei dem Überfall warst du auch nicht dabei.“
Fieberhaft suchte Wolf nach einer Antwort.
„Wer ich bin, spielt keine Rolle. Es hat seine Gründe, warum ich nicht bei dem Überfall dabei war. Und auch, dass du mich auf dem Plateau nicht gesehen hast. Hauptsache, ich bin da. Meinst du nicht auch?“, entgegnete er, obwohl er weder über den Schwarzen noch über das Plateau Bescheid wusste.
„So? Findest du?“ Wieder schenkte ihm der Mann einen misstrauischen Blick. „Nun ja, vielleicht hast du Recht. Wer du bist, kann mir gleichgültig sein. Hauptsache, du bringst mich so schnell wie möglich zum Schwarzen. Aber eines wirst du mir ja wohl sagen können: Wie steht es um meinen Bruder?“
Wolf stutzte. Worauf zielte die Frage ab? Hatten die Schurken etwa ein Losungswort ausgemacht, mittels dessen sie einander erkennen konnten? Es galt aufzupassen.
„Nun? Was ist?“ Der Mann beugte sich vor und starrte ihn an.
Wolf starrte zurück. Da bemerkte er, dass im Blick des Fremden Sorge und Angst lagen. Nein, dieser Mann wollte von ihm kein Losungswort, sondern eine klare Antwort auf die Frage nach dem Befinden seines Bruders, warum auch immer.
„Dein Bruder? … Nun … wie soll es ihm schon gehen. Wie man sich bettet, so liegt man eben – wenn du verstehst, was ich meine“, antwortete Wolf sibyllinisch.
Mit einem Mal sprang der Mann auf, beugte sich über den Tisch und packte Wolf beim Kragen. „Was heißt das? Was habt ihr mit ihm gemacht? Ist er etwa nicht mehr am Leben?“, zischte er wütend; Panik lag in seiner Stimme.
Obwohl völlig überrascht, erkannte Wolf sofort, dass er sich diesen Übergriff nicht bieten lassen konnte. Er ergriff den vor ihm stehenden Krug und schlug ihn mit aller Kraft gegen den linken Ellenbogen des Mannes. Der Schrei des Fremden mischte sich in das Scheppern des zu Bruch gehenden Kruges, und mit schmerzverzerrtem Gesicht sank der Mann auf die Bank zurück. Gleichzeitig sprang Wolf auf, und ehe er sich’s versah, hatte der Fremde seine Hände wie eiserne Klammern um den Hals liegen.
„Hör zu, Freundchen. So springt man mit mir nicht um. Fass mich nicht noch einmal an, verstanden!“, zischte Wolf.
„Is’ ja schon gut. Aber ich mach mir eben Sorgen um meinen Bruder. Sag mir wenigstens, ob er noch lebt!“, lenkte der Mann heiser röchelnd ein.
Wolf ließ ihn los. „Beruhige dich! Mit deinem Bruder ist alles in Ordnung“, behauptete er ins Blaue hinein.
Finster musterte ihn der seltsame Gast. „Sei verflucht, wenn es nicht so ist“, knurrte er und fuhr fort: „Wie geht es jetzt überhaupt weiter? Wann bringst du mich zum Schwarzen?“
Wolf dachte einen Moment nach. Er entschloss sich, alles auf eine Karte zu setzen.
„Weshalb sollte ich dich zu ihm bringen? Er wird selbst kommen.“
„Er kommt selbst? Dann hat er dich also nur vorgeschickt. Warum sagst du das nicht gleich?“
„Er hat nur gesagt, dass wir uns mit dir treffen. Er, Heiner, Mat-this, der Rote Peter und ich, wir sollten um Sext herum hier in der Herberge sein. Wie du siehst, bin ich der Erste. Die anderen werden schon noch kommen.“
„Heiner? Der Rote Peter? Die kenn ich ebenso wenig wie dich. Von euch Schurken kenne ich außer dem, den ihr den Schwarzen nennt, nur Matthis mit Namen. Und das auch nur, weil er mir den Weg von eurem verdammten Plateau zurück zum Hengstpass weisen musste.“
Wolf war überrascht. Das klang ja fast so, als ob der Mann sich selbst nicht zur Bande rechnete.
Noch während er darüber nachdachte, fiel sein Blick zufällig durch die geöffnete Tür ins Freie. Auf dem Pfad, der vom Hauptweg abzweigend zur Herberge führte, näherten sich Reiter – drei Reiter!
Endlich! Wolf erhob sich.
„Da fällt mir ein, ich habe noch etwas für dich, das ich dir geben soll. Es ist in meiner Satteltasche. Ich hole es. Warte einen Augenblick“, sagte er zu dem Mann, der nichts ahnend mit dem Rücken zur Tür saß und verwundert aufschaute.
Wolf begab sich in den Hof hinaus. Die Reiter kamen näher. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Diesmal hegte er keinen Zweifel daran, dass die, die da heranritten, auch die waren, die er erwartete. Betont langsam ging er zu seinem Rappen hinüber. Er hoffte, dass der Graf und die anderen das verabredete Zeichen, das er nun zu geben beabsichtigte, wahrnehmen
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