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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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unter Bruder Valentin.“
    Wolf war überrascht. So einfach war es also gewesen, in Bert-rams Nähe zu gelangen.
    „Sieh an, du bist also einer der Brüder des Gehorsams. Was bewegt einen Bruder des Gehorsams dazu, ein Stelldichein mit einem Jungen aus der äußeren Schule zu vereinbaren?“, wollte er wissen.
    Der Mann schwieg erneut.
    „Nun, wird’s bald? Heraus mit der Sprache, mein Freund! Was wolltest du von dem Jungen – und vor allem: Was weißt du über den Tod seiner Eltern?“, fuhr Wolf den Gefangenen an. Er beugte sich über ihn und setzte ihm die Spitze des Dolches an den Hals.
    Erneut zeigte sich eisiger Schrecken in der Miene des „Luchses“. Nicht allein wegen des Dolches, der an seiner Kehle saß. Sondern auch, weil ihm erst jetzt bewusst wurde, dass der Mann, der über ihn gebeugt stand, den vollständigen Inhalt des Briefes kannte, den er dem Jungen hatte zukommen lassen. Langsam begann er zu begreifen, in welcher Gefahr er schwebte. Mit dem, der ihn zu Boden geschlagen hatte, war nicht zu spaßen. Bereits als er aus seiner Ohnmacht erwacht war und Wolf erblickt hatte, war ihm klar geworden, dass er sich in den Händen desjenigen befand, der seine schützende Hand über den Knaben hielt, den er hatte treffen wollen. In den zwei Wochen, in denen er nun im Kloster arbeitete, hatte er Wolf hin und wieder gesehen. Benno von Freienberg hatte ihm seinen Namen genannt und ihm alles erzählt, was er über ihn und Bertram wusste.
    „Nun, willst du nicht endlich antworten?“, fragte Wolf.
    Der „Luchs“ spürte, wie sich der Druck der Dolchspitze an seinem Hals zu verstärken begann. Fieberhaft überlegte er – und hatte plötzlich eine Idee. Er war nicht sicher, dass sie gelingen würde, doch er musste den Versuch wagen.
    „Gut, ich will alles sagen. Aber nehmt den Dolch weg!“, krächzte er.
    Sofort steckte Wolf den Dolch in den Gürtel zurück. „Also?“, hakte er nach.
    „Viel weiß ich nicht über den Tod von Bertrams Familie. Und dass ich es überhaupt weiß, ist reiner Zufall“, begann der „Luchs“ draufloszulügen. „Nur so viel weiß ich: dass es ein Akt der Rache gewesen sein muss. – Vor zwei Jahren erzählte mir ein Bekannter von einem Fall in Zwettl. Da habe es vor vielen Jahren einen Köhler gegeben, der einem anderen Köhler Geld schuldete. Aber er wollte es nicht zurückbezahlen und beschloss, den, dem er das Geld schuldete, zu beseitigen. Er brannte seine Hütte nieder. Dabei kam die Familie des Betreffenden ums Leben; er selbst aber konnte sich retten. Der Mörder floh und ward nicht mehr gesehen. Er habe Arnulf geheißen, sagte mein Bekannter. Der Geschädigte schwor Rache. Er werde so lange nach dem Mörder seiner Familie suchen, bis er ihn gefunden habe. – Vor zwei Wochen nun, als ich meine Arbeit im Kloster begann, lernte ich Benno kennen. Er ist ein Mitschüler Bertrams. Wir unterhielten uns über dies und jenes. Auch über die Schule und seine Kameraden. Dabei erzählte er mir auch einiges über Bertram und sagte, Bertram sei sowieso nur hier, weil seine Eltern ums Leben gekommen wären. – Ich fragte ihn, wer seine Eltern gewesen seien. Und dann erzählte er es mir. Auch wie sie ums Leben kamen. Nämlich, dass jemand sie umgebracht habe. – Da kam mir plötzlich in den Sinn, was mir der Freund, von dem ich eben sprach, erzählt hatte. – Wie gesagt: reiner Zufall. – Es ist doch seltsam, welche Zufälle es gibt, nicht wahr? – Ich wollte Bertram heute sagen, was ich darüber weiß. Dafür sollte er mir einen Gefallen erweisen. – Ich wollte ihn bitten, hin und wieder ein Stück Braten aus der Klosterküche für mich abzuzweigen, wie ihn die Gäste bekommen. – Ja, und das ist alles.“
    Sprachlos sah Wolf auf seinen Gefangenen hinunter. Es verschlug ihm fast den Atem. Dass der Schurke sogar im Angesicht äußerster Gefahr noch die Fantasie aufbrachte, so zu lügen, verriet, wie ausgekocht und hartgesotten er war.
    Eine ungeheure Wut stieg in Wolf hoch, doch er beherrschte sich und ließ sich stattdessen langsam an der Seite des Mannes nieder. Dann öffnete er seine Gürteltasche und entnahm ihr ein kleines Messer und einen trockenen Kienspan. Bedächtig ging er daran, ihn mit dem Messer sorgfältig zuzuspitzen.
    „Weißt du, was das ist?“, fragte er, als er damit fertig war, und hielt dem Gebundenen das Hölzchen unter die Nase.
    Der „Luchs“ sah ihn mit einem Ausdruck äußersten Befremdens an.
    „Ein … ein Kienspan“, entgegnete er mit

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