Der Seelenhändler
Farbe angenommen, zu schwären begonnen und sonderte eine absonderlich stinkende Flüssigkeit ab. Der Oberschenkel des Mannes wirkte aufgedunsen; betastete man ihn, knisterte die Haut. Wolf erkannte sofort, dass, wenn es nicht gelang, die in Aufruhr geratenen Körpersäfte vorübergehend zu beruhigen, der Mann, noch bevor er aussagen konnte, seinen letzten Atemzug getan haben würde. Darum hatte Wolf unverzüglich Bruder Magnus rufen lassen. Der war sogleich herbeigeeilt, um sich des Kranken anzunehmen. Als erfahrener Heilkundiger wusste der Mönch jedoch, dass alle ihre Bemühungen zum Scheitern verurteilt waren und das Ende des Mannes nur noch eine Frage von Stunden sein würde.
Gleich nach der Prim war denn auch ein anderer Mönch erschienen und hatte den schwer kranken Meuchler aufgefordert, die Beichte abzulegen; es werde nicht mehr lange dauern, und er werde vor seinen himmlischen Richter treten, hatte er ihm eröffnet und ihm plastisch die ewigen Schrecken der Hölle vor Augen geführt, die jeden erwarteten, der seine Sünden nicht bereute. Da sei es doch besser, dem Fegefeuer anheimzufallen; aus dem käme man schließlich wieder heraus, nachdem man seine Strafe abgebüßt habe. Ins reinigende Purgatorium aber kämen nur die, die vorher echte Reue gezeigt hätten, und dazu gehöre in seinem Fall auch, sich geständig zu zeigen.
Sei es, dass der Mönch über die außergewöhnliche Gabe verfügte, das Furchtbare der Hölle in den lebhaftesten Farben zu schildern, sei es, dass der „Luchs“ tatsächlich sein Gewissen erleichtern wollte – das Bewusstsein des nahenden Todes schien ihn jedenfalls zu verändern. Er erklärte sich nicht nur zur Ablegung eines vollen Geständnisses bereit, sondern offenbarte zudem auch seinen wirklichen Namen: Heinrich Mautner. Mit diesem Wissen ausgestattet, eilte der Mönch sofort zu Wolf, um ihn davon zu unterrichten, dass die Zeit reif sei und der Beschuldigte gestehen wolle.
Knarrend öffnete sich die schwere Tür. Bruder Magnus drehte sich um und sah einige Knechte den Raum betreten, die ächzend einen großen Tisch und eine lange Bank hereinschleppten. Ihnen folgten Wolf, Prior Metschacher, Bruder Basilius, der Cellerar, Ferdinand Teuschner, der Stiftsrichter – der erst vor einigen Tagen von seiner viermonatigen Reise zurückgekehrt war –, und Sebaldus, einer der versiertesten und vor allem schnellsten Schreiber des Konvents; er hatte Tinte, einige Federkiele sowie Pergament, Wachs und Siegel bei sich und sollte die Vernehmung protokollieren.
Nachdem die Knechte Tisch und Bank zurechtgerückt und die geräumige Zelle wieder verlassen hatten, setzte man sich, um das Verhör zu beginnen. Metschacher war mit Wolf übereingekommen, Stiftsrichter Teuschner die Befragung eröffnen zu lassen. Er war etwa um die sechzig, hatte schlohweißes Haar und einen ebensolchen Bart und wirkte routiniert und sachlich. Nach einigen einleitenden Bemerkungen, die der Form und Legitimation Genüge tun sollten, kam er denn auch ohne große Umschweife sofort auf den Punkt.
„Ihr behauptet also, Heinrich Mautner zu sein. Ist das Euer rich-tiger Name?“, stellte er dem Beschuldigten die erste Frage.
Der Angesprochene nickte.
„Ich erinnere mich eines Heinrich Mautner, der vor vielen Jahren in Pürgschachen lebte“, fuhr Teuschner fort. „Ein übler Bursche, der bereits in jungen Jahren auf die schiefe Bahn geriet und bei einem Diebstahl auf handhafter Tat erwischt wurde. Allerdings gelang es ihm zu fliehen, und man sah ihn nie wieder. Seid Ihr dieser Mautner?“
Wieder nickte der Angesprochene matt.
„Wo habt Ihr Euch denn die ganzen Jahre über herumgetrieben, Heinrich Mautner?“
„Vorwiegend im Bayrischen … zwischen Lech und Donau … wenn Ihr’s … genau wissen wollt“, erwiderte Mautner schwer at-mend. Sein Zustand ließ ihn nur stockend und leise antworten.
„Und wie kamt Ihr dazu, hier wieder aufzutauchen und Euch als Bruder des Gehorsams bei uns im Stift zu verdingen?“
Mautner schwieg. Sein Blick begann zu flackern; Wolf bemerkte, wie Angst in dem Manne hochkroch.
„Nun, wird’s bald? Was Euch wieder hierher getrieben hat, wollen wir wissen! Antwortet!“
„Es war … es war … ein Befehl“, presste der Befragte heraus.
„Aha, ein Befehl. Würdet Ihr die Güte haben zu erläutern, was für ein Befehl?“, fragte Teuschner, das Wort „Befehl“ dabei ironisch betonend.
„Ich sollte … ich sollte mir diesen Jungen vornehmen – den Sohn dieses
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