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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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schützende Wald war zu Ende. Eine mit niederen Büschen und hohem Gras bestandene Senke breitete sich vor ihnen aus.
    „Löscht die Fackeln. Sie könnten uns verraten“, zischte der Luchs und trat vorsichtig aus dem Schutz der Bäume heraus. Die Männer folgten ihm – und bekamen augenblicklich die ungehemmte Wucht des Regens zu spüren. Hunderte wütender Tropfen peitschten ihnen ins Gesicht und attackierten die breitkrempigen Hüte, die sie trugen – das dumpfe Rauschen verwandelte sich in wütendes Trommeln. Dennoch hielten sie voller Anspannung inne und spähten angestrengt in die Lichtung. Wo lag ihr Ziel?
    Dann sahen sie das Glimmen.
    Unheimlich und verheißungsvoll zugleich, bohrte sich ein verschwommener rötlicher Schein ins Nassschwarz der Nacht und schien sie durch den strömenden Regen hindurch zu grüßen. Dort, im Osten, wo die Senke im Begriff war, wieder in einen steilen Hang überzugehen, musste der Köhler wohnen.
    Mit seiner Frau. Mit seinem Bruder. Und dem Jungen. Das Glimmen verlieh ihnen neue Kräfte. Sie rückten weiter vor, wurden schneller. Als sie ihr Ziel fast erreicht hatten, verringerten sie das Tempo wieder und hielten heftig atmend inne als sie erkannten, woher das verhaltene Leuchten stammte: Neben der niedrigen Hütte, die schief am kahlen Fels lehnte, glühten die Reste eines Feuers – in einer grob ummauerten, offenen Herdstelle und von einem ausladenden Felsvorsprung vor dem Regen geschützt.
    Die Glut war noch frisch, die Flammen noch nicht lange erloschen. Obwohl kein Laut aus der Hütte drang, bereitete ihnen ihre Entdeckung Unbehagen.
    Verunsichert blickten sie einander an. Fragend, unentschlossen. Doch sie wagten nicht zu sprechen.
    Angespannt heftete der Luchs seinen Blick auf die Tür des Hütteneingangs. Seine Gedanken rasten. Mit der Frau und dem Jungen würden sie schnell fertig sein. Aber der Köhler und sein Bruder waren wahre Hünen. Was, wenn sie noch nicht schliefen?
    Sie brauchten Gewissheit!
    Eng an den Boden geschmiegt, robbte der Luchs nahe an die Behausung heran und spähte vorsichtig durch die Ritzen der aus groben Bohlen bestehenden Tür. Behutsam drückte er dagegen – sie war nicht verriegelt. Angestrengt verharrte er noch einige Augenblicke und horchte, bis er erleichtert jenes regelmäßige Schnarchen registrierte, das nur im Tiefschlaf befindliche Personen von sich geben.
    Erst danach richtete er sich wieder auf. Rasch bewegte er sich auf die rot glühende Feuerstelle zu, die ihnen den Weg gewiesen hatte. Zum wiederholten Mal in dieser Nacht zog er eine Fackel aus dem Gürtel. Sie würden Licht benötigen, um sich im Dunkel der Hütte zurechtzufinden. Er stieß den Stab in die verbliebene Glut, die das Werg augenblicklich entzündete und ihm das umständliche Feuerschlagen ersparte.
    Die brennende Fackel in der Rechten, wandte er sich wieder seinen Begleitern zu. Er atmete tief durch. Dann nickte er und hob langsam den Arm, um das Zeichen zu geben. Das Zeichen, auf das die anderen, wie zum Sprung bereite Raubtiere, warteten. Die Zeit des Handelns war gekommen.
    Und sie würden handeln. Ohne Wenn und Aber. Und noch bevor die vor Nässe triefende Schwärze im Begriff wäre, sich im feuchten Grau des beginnenden Morgens aufzulösen, würden sie ihre Mission erfüllt haben.
    So, wie man es von ihnen erwartete.

1
    Nebelschwaden entstiegen dem Fluss, waberten über die dunklen Fluten hinweg und stiegen nach oben, um sich hoch über den Wipfeln der Bäume im dämmrigen Morgengrau aufzulösen. Noch verbarg sich die Sonne hinter der schwarz gezackten Silhouette des Buchsteinmassivs. Doch sie hatte ihren Boten vorausgeschickt – ein schmaler Streifen diffusen Lichtes kündigte von ihrem Kommen.
    In einem notdürftig aus Reisig und Blättern gefertigten Unterschlupf, nah am Flussufer, schliefen zwei Männer; ein älterer und ein jüngerer.
    Schon am Abend des vorhergehenden Tages hatte ein prüfender Blick zum Himmel die beiden bewogen, sich ins dichte Unterholz am Ufer der Enns zu verkriechen. Schließlich galt es, sich vor der unbarmherzigen Nässe zu schützen, die irgendwann in den nächsten Stunden vom Himmel herniederprasseln würde.
    Als Wanderprediger der „Armen Christi“, der geheimen Bruderschaft, die vom römischen Klerus verächtlich als „Waldenser“ beschimpft und als Ketzer gejagt wurden, waren sie es gewohnt, im Freien zu nächtigen. Ihr Versteck am Rande des Waldes, der sich bis ans Ufer der Enns erstreckte, schützte sie nicht nur vor

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