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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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jedoch auch gleichzeitig seine Sinne. Aufmerksam blickte er sich um.
    Nichts! Außer ihm selbst, der verletzten Stute und dem Rappen, der ihm inzwischen gefolgt war, keine Spur von Leben. Geschweige denn von Katharina!
    Nur Trümmer, Sträucher, Nebelschwaden.
    Und das schattenlose Grau des frühen Morgens.
    „Katharina? Wo steckst du? Was ist geschehen?“, brüllte er – und erschrak vor dem hohlen Klang seiner eigenen Stimme.
    Keine Antwort!
    Stattdessen nach wie vor Stille.
    Wolf rannte ein Stück den Weg zurück, den er mit Katharina gekommen war.
    Bis er begriff, dass ihn das kopflose Dahinjagen nicht weiterbringen würde.
    Heftig atmend hielt er inne und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
    Sie waren nicht allein. Das war sicher. Trotz des toten Schweigens um ihn herum. Irgendetwas war hier. Oder irgendjemand. Irgendetwas oder irgendjemand hatte sich Katharinas bemächtigt.
    Ein Tier? … Ein Mensch? … Oder gar Dämonen?
    Sofort schalt er sich in Gedanken einen Narren. Oh nein, Dämonen waren es ganz bestimmt nicht. Er gehörte nicht zu denjenigen, die alles, was an Unerklärlichem geschah, dem Wirken dieser gefallenen Engel zuschrieben.
    Nein, was immer sich hier, auf diesem verdammten Felsen, im diffusen Licht der Morgendämmerung auch abspielte, gehörte der Wirklichkeit des Irdischen an. Und dem, was irdisch war, konnte man auch mit den Mitteln des Irdischen begegnen: mit Mut, mit Kraft, mit List – und vor allem mit der Ratio!
    Plötzlich spürte Wolf, wie seine Angst nachließ, kalter Entschlossenheit Platz machte und er wieder einen klaren Kopf bekam.
    Er zog sein Schwert und ging vorsichtig, aber zielstrebig weiter, wobei er stets versuchte, sich in Deckung irgendwelcher Mauerreste zu halten. Prüfend musterte er die schweigende Ödnis um sich herum.
    Vor ihm, ein gutes Stück weit entfernt, der gewaltige Toreingang, durch den sie gekommen waren. Links von ihm, in der Mitte des Burghofs, eine halbkreisförmige Wand aus Ziegeln, vielleicht die Reste eines zweiten Turmes. Etwas weiter hinten, und seltsam verwinkelt in den Hof hineinragend, diverse Gebäudereste – ehemalige Stallungen, Wirtschaftsgebäude oder dergleichen. Dann die Umfassungsmauer, die das gesamte Areal umrundete und an einigen Stellen sogar noch über ihre ursprüngliche Höhe verfügte. Von der Position aus gesehen, an der er sich gerade befand, konnte er eine Treppe ausmachen, die zu einem überdachten Wehrgang hinaufführte. Zum Teil noch gut erhalten, zog sich dieser ein ziemliches Stück weit nach Westen, wo er in die Tiefe abbrach. Ansonsten fiel sein Blick genau auf das, was man an einem gottverlassenen Ort wie diesem erwartete: Mauerreste und Steinhaufen, dazwischen Strauchwerk und Büsche und hie und da sogar der eine oder andere Baum.
    Gefolgt von den beiden Pferden, die in größerem Abstand zögernd hinter ihm hertrotteten, strebte Wolf vorsichtig und zügig weiter voran.
    Rasch hatte er die Stelle erreicht, an der Katharina vom Pferd gestiegen war, um ihrem Bedürfnis nachzugeben. Erneut hielt er inne und musterte zum wiederholten Mal mit Argusaugen die unmittelbare Umgebung.
    Als er sie plötzlich wahrnahm, fragte er sich, warum er sie nicht schon vorher bemerkt hatte: Spuren!
    Oder besser: ein ganzer Spurenteppich im Sand direkt zu seinen Füßen. Hufabdrücke eines Pferdes sowie Abdrücke von Stiefeln.
    Und von zwei Körpern, die sich offenbar wild auf dem Boden hin- und hergewälzt hatten – Spuren eines Kampfes, der von einer der beiden Personen mit der Kraft der Verzweiflung geführt worden sein musste.
    Der Mund wurde Wolf trocken, sein Puls raste. Trotz des spärlichen Lichtes konnte er die Abdrücke verhältnismäßig klar erkennen. Große, massige Abdrücke von Stiefeln, die ohne Zweifel einem Mann gehörten. Und die Abdrücke eines Stiefelpaares, die einen kleinen Fuß erkennen ließen. Den Fuß einer Frau.
    Dann nahm er auch den Stein wahr. Groß und kantig lag er etwa zwei Schritte von ihm entfernt im Sand. Ein eigenartig dunkler Glanz lag auf dem Stein, und noch bevor er zu ihm hinüberging und mit dem Finger die dunkel glänzende Stelle berührte, wusste er, dass es Blut war.
    Jetzt sah er auch die Flecken. Dunkle Flecken unterschiedlicher Größe, die, unregelmäßig verteilt, den sandigen Grund bedeckten …
    … Blutspritzer!
    Der Kloß in seiner Brust ließ ihn fast ersticken, während er die Spuren aufs Neue in Augenschein nahm – um dann in grimmigem Verstehen mit dem Kopf zu nicken.

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